20. Juni 2020

Frau mit Einfluss

Beitrag aus der RHEINPFALZ von Winfrid Folz

Maike Kohl-Richter, die Witwe von Altbundeskanzler Helmut Kohl, sieht sich als Hüterin des Andenkens an den Ludwigshafener CDU-Politiker. Dazu zählt sie offenbar auch das Schicksal der alten Polizei-Wache neben ihrem Haus in Oggersheim. Bei einer Anfrage der RHEINPFALZ dazu an das Kanzleramt schaltete sich Kohl-Richter ein.

Diese ungewöhnliche Geschichte beginnt mit einer einfachen Frage: Wann soll die Polizei-Sonderwache neben dem Kanzler-Bungalow in Ludwigshafen- Oggersheim abgerissen werden? Es ist eine Frage, die nicht nur die Anwohner des Hauses von Ex- Kanzler Kohl in der Marbacher Straße interessiert, sondern vielleicht auch alle, die sich wundern, warum das Häuschen noch steht, obwohl Kohl im Juni 2017 starb. Im Dezember jenes Jahres stellte Rebekka Sambale aus der RHEINPFALZ-Lokalredaktion Ludwigshafen diese Frage.
Die Sonderwache ist 1984 gebaut worden – zwei Jahre, nachdem Helmut Kohl zum Bundeskanzler gewählt worden war. Das Gebäude war rund um die Uhr besetzt, 18 Polizisten überwachten dort im Schichtdienst Kohls Haus während und nach seiner Kanzlerschaft. Nach Kohls Tod stand die Wache leer, und die dort eingesetzten Polizisten wurden auf andere Polizeireviere im Land verteilt. Zum Schutz von Kohls Witwe Maike Kohl- Richter gibt es seitdem „vermehrten Streifendienst“, wie es offiziell heißt.

Vor allem einer Person passt die Frage nicht

RHEINPFALZ-Redakteurin Sambale hatte es nicht leicht, für ihre einfache Frage den richtigen Adressaten zu finden. Für den sogenannten Objektschutz ist die Polizei von Rheinland- Pfalz zuständig, aber wer kümmert sich um das Gebäude, also das Wachhäuschen? Das Bundesamt für Bauwesen sah sich nicht zuständig, auch nicht der Landesbetrieb Liegenschafts- und Baubetreuung Rheinland- Pfalz. Nach einer Odyssee durch diverse Verwaltungen landete die Frage dort, woman eigentlich zuletzt den richtigen Ansprechpartner vermutet hätte: ganz oben, im Bundeskanzleramt. So erhielt Rebekka Sambale im Januar 2018 Antwort aus Berlin, Willy-Brandt-Straße 1, dem Sitz der Bundesregierung.
Im Grunde war es keine Antwort, jedenfalls teilte man der Journalistin aus Ludwigshafen mit, dass über die Zukunft des Häuschens „noch keine abschließende Aussage“ getroffen werden könne. Die Rede war von „notwendigen Abstimmungsprozessen zwischen den Beteiligten“. Um wen es sich dabei handelte, ging aus der Antwort nicht hervor. Eine Nachfrage im Mai 2018 lief ebenfalls ins Leere: „Die Abstimmungsprozesse dauern derzeit noch an, daher gibt es in der Sache noch nichts Neues zu berichten“, wurde Rebekka Sambale deutlich gemacht.
Wie sich nun herausgestellt hat, passte vor alle meiner Person die Frage nach der Zukunft der Sonderwache nicht in den Kram: Maike Kohl-Richter. Die Witwe hat wohl ganz eigene Pläne für das Häuschen, die in Zusammenhang stehen dürften mit ihrem Vorhaben, eine Art Kohl-Museum in der Marbacher Straße zu gründen. Wie berichtet, hatte Kohl-Richter erst kürzlich vergeblich versucht, die Polizei- Wache zusammen mit dem eigenen Bungalow unter Denkmalschutz zu stellen.
Kohl-Richter war vom Bundeskanzleramt über die Presseanfrage aus Ludwigshafen unterrichtet worden, mehr noch: Sie war aufgefordert worden, die Antwort zu ergänzen. Dies geht aus einem Mail-Wechsel hervor, den der „Tagesspiegel“-Redakteur Jost Müller-Neuhof zur Verfügung gestellt bekam. Müller-Neuhof war einer ganz anderen Sache auf der Spur, er fragte nach dem Verbleib der amtlichen Kanzler-Akten. Weil das Kanzleramt alle Fragen abblockte, ging Müller-Neuhof vor das Berliner Verwaltungsgericht und beantragte nach dem Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Korrespondenz des Kanzleramtes mit Maike Kohl- Richter.

Für die Wache ist nicht Kohl-Richter zuständig

Die wurde ihm gewährt, und dabei fand sich auch die Sache mit der Polizeiwache, nach der die RHEINPFALZ sich erkundigt hatte. Und nun liest sich die Geschichte anders: Denn Kohl-Richter hat großzügig Anmerkungen in den Entwurf „eingebaut“, wie sie in einleitenden Worten erklärt – nicht ohne sich über die Anfrage an sich zu echauffieren: „Diese Pressehatz bezüglich Grundstück ist die Pest.“
Kohl-Richters Antwort über die Polizeiwache, für die nicht sie, sondern das Kanzleramt zuständig ist, wurde vom Kanzleramt wörtlich übernommen. Dabei betonte Kohl-Richter, man solle die Grundstückseigentümer nicht thematisieren. Warum dieses Thema umschifft werden sollte, ist noch unklar. Jedenfalls zeigte sich das Kanzleramt sehr folgsam und verschickte ganz offiziell die von Kohl- Richter formulierte Antwort mit Bundesadler- Signet an die Ludwigshafener Lokalredaktion.
Von der RHEINPFALZ dieser Tage auf den Vorfall angesprochen, reagierte das Bundespresseamt zugeknöpft. Ein Regierungssprecher verschickte eine juristisch fein austarierte Antwort, die man zwei Mal lesen muss, um sie zu verstehen: „Sofern es angezeigt ist, beteiligt das Bundeskanzleramt private Dritte, wenn und soweit der Auskunftserteilung deren schutzwürdige Interessen entgegenstehen können und berücksichtigt deren Stellungnahmen in geeigneter Form.“ Mit anderen Worten: Maike Kohl-Richter wurde offenbar gefragt, weil sie neben der Polizei-Wache wohnt. Auf die RHEINPFALZ-Frage, ob Kohl-Richter bei weiteren Presseanfragen vom Kanzleramt um Ergänzungen und Korrekturen gebeten wurde, lautete die knappe Antwort: „Nein.“ Doch der Vorgang zeigt, wie weit nach oben der Einfluss der Witwe reicht. Bei Themen, die das Leben undWirken des ehemaligen Bundeskanzlers berühren, spielt sie eine maßgebliche Rolle.
Die Zukunft der Polizei-Sonderwache in der Marbacher Straße ist übrigens weiterhin ungeklärt.