25. Dez 2014

2014 literarisch: Schätzing, Kohl und Kerkeling

Von Marion Thunemann, dpa, auf saarbruecker-zeitung.de

 

Was bleibt? Die Frage stellt sich im Rückblick auf ein Jahr so ziemlich jeder. Und in der Literatur? Autoren, Schriftsteller und Politiker taten ihr Bestes, um im Gespräch zu bleiben - nicht nur mit ihren Büchern.

 

Über 1000 Buchpreise wurden in Deutschland vergeben - so viele wie in keinem anderen Land. Es gab aufsehenerregende Debüts und Geständnisse.

Was war?

FRANK SCHÄTZINGs («Der Schwarm», «Limit») neuer Roman «Breaking News» handelt vom Nahostkonflikt - für viele ein atemberaubendes Buch. In dem Thriller zeichnet Schätzing den Lebens- und Leidensweg Ariel Scharons nach - mit einer kleinen Änderung in Form einer Verschwörung. Nico Hofmann verfilmt das opulente Werk als sechsteilige Miniserie für das Fernsehen.

Die Bücher der Erotik-Trilogie «SHADES OF GREY» von E. L. James haben im Februar die Marke von 100 Millionen verkauften Exemplaren weltweit geknackt. Damit ist die Reihe ähnlich erfolgreich wie beispielsweise die Bücher über den Zauberlehrling «Harry Potter», die sich ebenfalls mehr als 100 Millionen Mal rund um den Globus verkauft haben. Der Erotik-Thriller soll zum Valentinstag Mitte Februar 2015 in die Kinos kommen.

Ex-Bundeskanzler HELMUT KOHLs einstiger Ghostwriter Heribert Schwan bringt das Buch «Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle» auf den Markt - hinter dem Rücken des einstigen Vertrauten. Es sorgt für viel Wirbel, bekommt sofort einen Spitzenplatz in den Bestsellerlisten. Kohl geht gerichtlich dagegen vor. Schwan darf die meisten der 115 umstrittenen Zitate des Altkanzlers nicht mehr verwenden. Bereits ausgelieferte Bücher sind nicht betroffen.

Er war Bundespräsident, wurde durch einen Korruptionsvorwurf aus dem Amt getrieben und später freigesprochen. CHRISTIAN WULFF schreibt ein Buch über diese Zeit. In «Ganz oben Ganz unten» rechnet er mit Vertretern von Justiz, Medien und Politik ab. Kritiker werfen ihm Einseitigkeit vor.

HAPE KERKELING schreibt seine Memoiren. Die tragikomische Autobiografie «Der Junge muss an die frische Luft» widmet er seiner Mutter, die sich 1973 das Leben nahm. Das Buch kommt auf Anhieb unter die Spitzen der Topseller. Aber an den Jakobsweg-Bericht, das als das erfolgreichste deutsche Sachbuch der Nachkriegszeit gilt, wird es wohl nicht heranreichen.

JÜRGEN BECKER bekommt für seine «unaufdringliche Sprachkunst» den Georg-Büchner-Preis - der Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung inDeutschland (50 000 Euro), wo jedes Jahr etwa 1000 Buchpreise (laut «Handbuch der Kulturpreise») vergeben werden.

Der israelische Schriftsteller AMOS OZ erhält den erstmals verliehenen Siegfried-Lenz-Preis (50 000 Euro). Der Namensgeber und Stifter («Deutschstunde») starb am 7. Oktober im Alter von 88 Jahren. Der Preis wird künftig alle zwei Jahre vergeben.

Der Belletristik-Preis der Leipziger Buchmesse geht an den deutsch-bosnischen Autor SASA STANISIC. Er erhält die Auszeichnung für den Roman «Vor dem Fest». Der Kulturwissenschaftler Helmut Lethen erhält den Preis in der Sparte Sachbuch/Essayistik. Er wird für das Buch «Der Schatten des Fotografen» ausgezeichnet (je 15 000 Euro).

Der Lyriker LUTZ SEILER schreibt seinen ersten Roman: «Kruso» erzählt die Geschichte eines Aussteigers auf der Ostsee-Insel Hiddensee im Jahr 1989Kritikerund Juroren des Deutschen Buchpreises sind des Lobes voll. Die mit 25 000 Euro dotierte Auszeichnung geht an Seiler. Der «Wenderoman» im 25. Jahr des Mauerfalls?

MARCEL BEYER wird mit dem Kleist-Preis (20 000 Euro) ausgezeichnet. Er spüre die dunklen Verflechtungen von Wissenschaft, Kunst und Politik in der deutschen und europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts auf.

Die Büchnerpreisträgerin SIBYLLE LEWITSCHAROFF bezeichnet in einer Rede im März in Dresden Retortenkinder als «Halbwesen» und vergleicht die Reproduktionsmedizin mit Praktiken aus dem Nationalsozialismus. Später distanziert sie sich von ihren Äußerungen.

Die Königsklasse - der Literaturnobelpreis geht an den Franzosen PATRICK MODIANO. Er wird für seine «Kunst der Erinnerung» geehrt. Die Werke des Literaten spielen oft in dem von Deutschen besetzten Paris während des Zweiten Weltkriegs oder in der Nachkriegszeit.

Den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält JARON LANIER. Der US-Wissenschaftler und Autor, einst ein Pionier des Internets, zählt inzwischen zu dessen schärfsten Kritikern. Er warnt vor obsessivem Datensammeln und ruft zur Verteidigung humanistischer Werte im Internet auf.

Der US-Amerikaner DAVE EGGERS schreibt einen düsteren Roman über die Zukunft. «Der Circle» erzählt eine schaurige Version der nahenden digitalen Welt, in der alle Informationen über alle Menschen offenliegen. Eggers tritt eine breite Diskussion los. Für die einen ist das Buch ein Art aufklärerischer Akt, andere werfen ihm Einseitigkeit und Schwarzmalerei vor.

Die junge Wissenschaftlerin GIULIA ENDERS schreibt den Sachbuch- Bestseller des Jahres: «Darm mit Charme» erklärt unterhaltsam, was wir für ein hochkomplexes und wunderbares, nur leider extrem vernachlässigtes Organ haben. «Der Darm ist der Schlüssel zu Körper und Geist. Und er ist der wichtigste Berater unseres Gehirns.»

«Ich glaube, es könnte der Hit des Jahres 2014 werden», schrieb Autor JOACHIM LOTTMANN seinem Verlag. Tatsächlich feierten die Kritiker seinen Roman «Endlich Kokain» - die bitterböse Kunst- und Medienwelt-Satire des Pop-Literaten Lottmann.