Das Landgericht Köln hat mit Beschlüssen vom 7.10.2014 (
6 U 147/14,
6 U 146/14) die Anträge auf Eilrechtsschutz des Altkanzlers Dr. Kohl gegen die Veröffentlichung des Buches “Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle” gegen seinen ehemaligen Ghostwriter Dr. Schwan sowie gegen den veröffentlichenden Verlag zurückgewiesen.
I. Sachverhalt Der Journalist Dr. Heribert Schwan sollte als Ghostwriter die Memoiren des Altkanzlers Dr. Helmut Kohl verfassen. Dazu führten Dr. Kohl und Dr. Schwan zwischen 2001 und 2002 im Haus des Altkanzlers in Oggersheim Gespräche von insgesamt über 600 Stunden, die auf Tonband aufgezeichnet wurden. Dabei gab es keine ausdrückliche Vereinbarung, die Gespräche vertraulich zu behandeln. Nachdem drei Bände erschienen, wurde die Zusammenarbeit aufgrund persönlicher Zerwürfnisse vorzeitig beendet. Nachdem Dr. Schwan die Tonbänder zunächst nicht herausgeben wollte, klagte Dr. Kohl erfolgreich auf Herausgabe (OLG Köln, Urt. v. 01.08.2014 –
6 U 20/14). Nachdem er die Tonbänder herausgeben musste, entschloss sich Dr. Schwan, die Gespräche einem gemeinsam mit dem Mitautor Tilman Jens verfassten “Enthüllungsbuch” zugrunde zu legen. Das “Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle” erschien letzte Woche im Verlag Random House gegen den Willen von Dr. Kohl. In dem Werk werden viele – auch private – Details über den Altkanlzler und seine Äußerungen über andere Personen preisgegeben, die zwar sein privates und politisches Umfeld teilweise bereits kannte, die aber für die Öffentlichkeit neu sind. So wird beispielsweise wiedergegeben, er habe sich über Angela Merkel als Person, die “wenig von Charakter heimgesucht sei” oder Norbert Blüm als “Verräter” geäußert. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragte Dr. Kohl beim LG Köln, Dr. Schwan zu untersagen “die auf Tonbändern, auf denen die Stimme des Antragstellers zu hören ist und die in den Jahren 2001 und 2002 vom Antragsgegner besprochen wurden, befindlichen Lebenserinnerungen des Antragstellers zu verbreiten und/oder zu verwerten oder auf sonstige Weise zu nutzen” (Az.
6 U 146/14). Weiterhin beantragte er, dem Verlag die “Vervielfältigung, Veröffentlichung, Verbreitung oder anderweitige Verwertung des Buches “Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle” der Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens” zu untersagen (Az.
6 U 147/14).
II. Entscheidung Mit Beschlüssen vom 7.10.2014 wies das LG Köln beide Anträge zurück.
1. Verfahren gegen Dr. Schwan a) Vertraglicher Anspruch Bezüglich des gegen Dr. Schwan gerichteten Antrags führte das Gericht aus, ein derart allgemeiner und weit gefasster Antrag könne allenfalls aus vertraglichen Vereinbarungen hergeleitet werden. Eine ausdrückliche Vertraulichkeitsabrede enthielten die vor Beginn der Gespräche geschlossenen Verträge aber unstreitig nicht. Ein dahingehend auszulegender Rechtsbindungswille, über sämtliche von Dr. Kohl getätigten Äußerungen Stillschweigen zu bewahren, könne den Verträgen auch im Wege der Auslegung nicht entnommen werden.
b) Urheberrechtlicher Anspruch Ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch gem.
§ 97 Abs. 1 UrhG bestehe schon deshalb nicht, weil die konkret veröffentlichten Erinnerungen, die zur Zeit der Entscheidung noch nicht bekannt waren, auch bereits bekannte Umstände betreffen könnten. Deren Veröffentlichung wiederum könne unter keinem Gesichtspunkt untersagt werden. Weiterhin sei es ohne Kenntnis der Veröffentlichung überhaupt nicht möglich zu beurteilen, ob diese Urheberrechte an der Tonbandaufzeichnung verletze.
c) Anspruch wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 1004, 823 BGB) Auch eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (
Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG) liege nicht vor. Hierzu sei eine Abwägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Dr. Kohls mit dem Recht von Dr. Schwan auf Presse- und Meinungsfreiheit (
Art. 5 Abs. 1 GG) erforderlich. Eine solche Abwägung könne jedoch nicht abstrakt vorgenommen werden, sondern müsse im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes erfolgen.
2. Verfahren gegen den Verlag Random House In Bezug auf das Verfahren gegen den Verlag Random House führte das Gericht aus, es bestehe schon überhaupt keine vertragliche Beziehung zwischen Dr. Kohl und dem Verlag. Die Begründung der Ablehung der Ansprüche aus Urheberrecht und Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entspricht der Entscheidung im Verfahren gegen Dr. Schwan.
III. Ausblick Gegen diese Entscheidungen hat Dr. Kohl das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (
§§ 567 ff. ZPO) eingelegt. Nachdem der zustände Senat des OLG Köln den Parteien rechtliche Hinweise erteilt hat, nahm Dr. Kohl am 10.10.2014 die sofortige Beschwerde wieder zurück. Nachdem Dr. Kohls Anwälte in ihrem ursprünglichen Antrag keine konkreten Passagen des Buches angriffen, da sie diese wohl vor der Veröffentlichung selbst nicht kannten, haben sie am vergangenen Wochenende angekündigt, nun gegen einzelne Passagen vorzugehen. Sie hätten einen Antrag auf Unterlassung von 115 Zitaten aus dem Buch gestellt. Sofern das Gericht zu dem Schluss kommt, dass auch nur eine dieser Passagen einen Urheberrechtsverstoß darstellt, wird wohl spätestens die nächste Auflage des Buches mit schwarzen Balken versehen sein.
Jennifer Eggenkämper
Studium in Trier, Bonn und Köln, derzeit Referendarin am Landgericht Aachen.