Beitrag auf braunschweiger-zeitung.de von Henning Noske
Lutz Eigendorf – immer noch in den Herzen der Eintracht-Fans. Überraschung beim Eintracht-Fan-Talk in der „Wahren Liebe“ in Braunschweig.
Immer und immer wieder wird sie durchgegangen, jene schicksalhafte Stunde, als die Lebenslust eines 26-jährigen Bundesligaspielers im März 1983 an einem Straßenbaum an der Forststraße in Braunschweig-Querum zerschellte. Auch beim Eintracht-Fan-Talk in der „Wahren Liebe“ am Braunschweiger Eintracht-Stadion ist es wieder so.
Was bleibt, sind Trauer und Gedenken. 40 Jahre nach dem Unfalltod von Eintracht-Profi Lutz Eigendorf, der alle Merkmale einer Mordaktion durch die DDR-Staatssicherheit trägt, hält Braunschweig noch einmal inne.
Wieder ist die Forststraße regen-nass, blau-gelber Trauerflor an der am 7. März enthüllten Gedenktafel für Lutz Eigendorf.
Und in der „Wahren Liebe“, welcher Ort könnte geeigneter sein, sagt mit dem Autor Heribert Schwan („Tod dem Verräter“) der beste Kenner in Sachen Eigendorf: „Glückwunsch und Dank an Eintracht Braunschweig und an diese Stadt, dass sie das Erinnern in dieser besonderen Weise wachhält.“
Auch René Wiese, Vorsitzender des Zentrums Deutsche Sportgeschichte in Berlin, lobt Braunschweig als Stadt, früher selbst dicht an der deutsch-deutschen Grenze gelegen, die in der Erinnerungskultur Maßstäbe setze.
Erinnern an Lutz Eigendorf. Hassfigur für Stasi-Chef Erich Mielke, zugleich Boss des BFC Dynamo Ost-Berlin, aus dessen Kader der Spieler in den Westen floh, um in der Fußball-Bundesliga zu spielen. Erst in Kaiserslautern, dann in Braunschweig.
Bis zu 70 offizielle und inoffizielle Stasi-Spitzel in Ost und West um ihn, seine Familie und Freunde herum. Ein im Auftrag von Heribert Schwan in den Stasi-Akten gefundenes Dokument könnte belegen, dass es Mord war, eine Kommandoaktion im Westen.
„Solche Unternehmen hat es gegeben, auch Mord gehörte zum Instrumentarium der DDR-Staatssicherheit, im Sport allerdings wäre es ein Novum. Die von Heribert Schwan aufgebaute Argumentationskette scheint mir aber schlüssig“, sagt René Wiese.
Was bekamen Lutz Eigendorfs Mannschaftskollegen bei Eintracht damals mit von dem dramatischen Geschehen? Sie spielten ja zusammen, feierten zusammen, droschen auch Skat in einer gemeinsamen Runde, der auch Nationalspieler und Eintracht-Legende Ronnie Worm angehörte.
Von Politik sei nie die Rede gewesen, auch über Eigendorfs Flucht aus der DDR, die Umstände und mögliche Gefahren habe man im Mannschaftskreis nicht gesprochen, sagt der heute 69-jährige Worm beim Eintracht-Fan-Talk.
Man habe aber gesehen, dass der prominente Mitspieler Probleme mit seinem Lebenswandel hatte. „Er liebte das Leben, aber seine Leistung stimmte nicht. Er wollte 20 Jahre DDR hier nachholen.“
Einmal sei „der Lutz“ mit dem damaligen BZ-Sportredakteur Klaus Langhardt in einer Dreiviertelstunde von Braunschweig nach Hannover und zurück gerast. Der Journalist sei hinterher kreidebleich gewesen, das habe er Ronnie Worm später einmal gestanden.
Quintessenz aus Sicht des früheren Eintracht-Profis, der heute in Walle lebt: „Lutz Eigendorf hätte ein ganz großer Spieler werden können, aber dann hätte er auch mal etwas weglassen müssen.“
Hätte … das schicksalhafte Geschehen zerstörte ein hoffnungsvolles Leben. „Es ist eines der tragischen Ereignisse in unserem Verein“, konstatiert der kundige Fan-Talk-Moderator Michael Kuhna.
Organisator Erik Lieberknecht (Eintracht Braunschweig) bilanziert: „Kein lustiger Abend diesmal, aber berührend, mit Tiefgang. Ein wichtiger Abend.“