Eine Dokumentation von
Dieter Weiss und Rolf Steininger
Redaktion: Heribert Schwan
WDR, Teil 2 von 6
45 Minuten
18.10.09
Ludwig Erhard, seit 1949 Wirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland, wird im Oktober 1963 Nachfolger von Konrad Adenauer. Ende 1966 tritt er zurück: Aus seiner Sicht haben ihn Machtgier, Neid und Ehrgeiz innerhalb der CDU/CSU gestürzt. Heute gilt er als gescheiterter Kanzler, gescheitert in den Beziehungen zu Frankreich und den USA. Was bleibt, ist seine historische Weichenstellung von der Plan- zur Marktwirtschaft noch vor Gründung der Bundesrepublik: Er bleibt der Garant für den wirtschaftlichen Aufstieg.
Adenauer schätzt ihn zwar als Wirtschaftsfachmann, hält ihn aber als seinen Nachfolger für völlig ungeeignet, insbesondere mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber gibt es 1963 eine heftige innerparteiliche und zum Teil öffentlich durchgeführte Kontroverse. Zu den ersten Erfolgen seiner Regierungszeit zählt zweifelsohne die Passierscheinregelung für die Berliner im Dezember 1963. Das Verhältnis zu Frankreichs de Gaulle bleibt unterkühlt, dessen Vorstellung einer deutsch-französischen Allianz als Kern eines Europas, das unter seiner Führung die dritte Kraft zwischen den USA und der Sowjetunion werden soll – unter Ausschluss Großbritanniens, lehnt Erhard kategorisch ab. Zu den großen Debatten seiner Regierungszeit im Bundestag gehört das Thema Verjährung von NS-Verbrechen und in diesem Zusammenhang der aufsehenerregende Auschwitz-Prozess gegen 22 ehemalige SS-Aufseher im Konzentrationslager Auschwitz.
Eine moralisch motivierte Entscheidung Erhards, die Bestand haben wird, ist seine einsame Entscheidung zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel. Die Europäische Integration ist ein durchgehendes Thema: Rückschläge und Erfolge wechseln sich ab. So etwa 1965 mit dem Rücktritt Frankreichs, das eine “Politik des leeren Stuhles” verfolgt.
Als FDP-Minister 1966 zurücktreten, ist Erhards Sturz vorprogrammiert. Von den Zeitzeugen äußern sich u. a. der Historiker Arnulf Baring, Helmut Kohl, Horst Ehmke, Egon Bahr, Hans-Dietrich Genscher und Rainer Barzel.
Nachfolger Erhards wird der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Kurt-Georg Kiesinger, der zusammen mit der SPD die erste Große Koalition bildet. Helmut Schmidt und Rainer Barzel führen die jeweiligen Fraktionen im Bundestag und sind die Schwergewichte der Koalition. Hinzu kommen Franz Josef Strauß, 1962 als Verteidigungsminister über die „Spiegel-Affäre“ gestürzt, als Finanzminister, und Karl Schiller, ehemaliges NSDAP-Mitglied, als Wirtschaftsminister. Sie gelten als Garanten für die Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise.
Zentrales Ereignis in der Zeit der Großen Koalition ist der Tod des Studenten Benno Ohnesorg bei den Demonstrationen gegen den Schah-Besuch am 2. Juni 1967. Wir wissen heute, dass der Todesschütze, der West-Berliner Kriminalbeamte Karl-Heinz Kurras, SED-Mitglied und jahrelang Spitzel des DDR-Geheimdienstes war. Benno Ohnesorgs Tod führt zu schweren Auseinandersetzungen in Berlin und zahlreichen Städten in der Bundesrepublik und wird zum Fanal für eine jahrelange, bundesweite Protestbewegung. Dazu gehört auch ein Mordanschlag eines rechtsgerichteten Malergesellen auf den Studentenführer Rudi Dutschke, sowie die verschärften Proteste gegen den Krieg der Amerikaner in Vietnam sowie die Massenproteste gegen die geplanten Notstandsgesetze der Großen Koalition. Mit der Wahl von Gustav Heinemann im März 1969 kündigt sich ein Koalitionswechsel an.
Die Katastrophe von Lengede wird genauso dokumentiert wie die erste Landung auf dem Mond 1969.
Von den Zeitzeugen äußern sich u. a. Theo Waigel, Hans Apel, Helmut Schmidt, Arnulf Baring, Horst Eppler und Rainer Barzel, Walter Scheel und Helmut Kohl.