Beitrag in der Berliner Zeitung
Helmut Kohls Tonbänder / Titel
Über Jahre galt er als Intimus Helmut Kohls, kein Journalist ist näher an den oft schroff- abweisenden Alt- Bundeskanzler herangekommen als Heribert Schwan. Nachdem er den Auftrag erhalten hatte, Kohls Memoiren zu schreiben, haben sich die beiden zwischen 2001 und 2002 mehr als 100 Mal in Kohls Villa in Ludwigshafen Oggersheim getroffen. Dabei sollen 200 Tonbänder aufgezeichnet worden sein, 600 Stunden Rede und Antwort, der Kanzler vertraulich.
Das Zerwürfnis zwischen Kohl und dem 1944 in Betzdorf an der Sieg geborenen Schwan erfolgte einige Jahre später. Kohl kündigte die Zusammenarbeit auf und forderte die Herausgabe der Bänder, worüber am Donnerstag vorm Bundesgerichtshof ein weiteres Urteil erging. Das BGH verpflichtete Schwan, Kohls Witwe Maike Kohl-Richter mitzuteilen, welche Inhalte er aus den Gesprächen mit dem Altkanzler noch in seinem Besitz habe. Das Urteil ist die Voraussetzung für Kohl-Richter, um im nächsten Schritt die Herausgabe erstreiten zu können.
Weit über den Streit zweier alter Männer hinaus, der durch Kohls Witwe fortgeführt wird, geht es natürlich nicht nur um das Recht am gesprochenen Wort, sondern insbesondere auch um die Deutungshoheit über die politische Geschichte. Heribert Schwan galt dabei lange als integrer Chronist. Der erfahrene Fernsehjournalist hat Biografien geschrieben über Richard von Weizsäcker, Johannes Rau, Wolfgang Schäuble und andere. Zeithistorische Studien zur Geschichte der BRD und der DDR waren seine großen Themen, ehe seine juristischen Auseinandersetzungen selbst zu einem Stoff der Zeitgeschichte wurden. Der Journalist, das ist die Pointe des Urteils, ist bloß ein Zeuge. Das letzte Wort behält Kohl - für sich.