Beitrag in DIE WELT von Hannelore Crolly
Geplante Helmut-Kohl-Stiftung: Der Standort und die Bewertung der Spendenaffäre sind umstritten
Fast vier Jahre ist Helmut Kohl schon tot, aber erst jetzt hat der Bundestag für den Altkanzler eine Stiftung auf den Weg gebracht, wie sie auch für Konrad Adenauer, Willy Brandt und Helmut Schmidt existiert. Das Vorhaben gestaltet sich überaus mühsam, und mit der Verabschiedung durch den Bundestag sind seine Probleme noch lange nicht beendet.
Denn es gibt gewaltige Meinungsverschiedenheiten zwischen der CDU und Kohls Witwe. Zwar wurde das Stiftungsgesetz am späten Donnerstagabend in dritter Lesung mit großer Mehrheit angenommen; lediglich die AfD enthielt sich. Aber Maike Kohl- Richter bleibt ausdrücklich bei ihrem Widerstand – sogar rechtliche Schritte behält sie sich vor. Denn die Anlage der Stiftung widerspreche dem letzten Willen ihres Mannes, kritisiert die 57-Jährige auf ihrer Website.
Nach Überzeugung der promovierten Volkswirtin wünschte sich Kohl, dass seine Erbin und Witwe zwingend in die Aufarbeitung seines Wirkens und Vermächtnisses einbezogen werden müsse. Kohl-Richter solle inhaltlich konzeptionell mitwirken und „abgestimmte Vorstellungen und Überlegungen“ einbringen; außerdem, wenn nötig, auch Bedenken äußern, so die angebliche Forderung des Verstorbenen.
Doch all das sei „unberücksichtigt geblieben“, heißt es in einer elfseitigen Presseerklärung, die der Freiburger Rechtsanwalt Stefan Wieser im Auftrag von Maike Kohl-Richter veröffentlichte. Es sei nun deren Sorge, dass die Stiftung eine „falsche inhaltliche Ausrichtung“ bekomme und Helmut Kohl „zum Spielball wechselnder politischen Mehrheiten werden könnte“.
Dabei hatte es über die Jahre mehrere Gespräche und Telefonate zwischen CDU-Vertretern und Kohl-Richter gegeben. Wie die Witwe es darstellt, geschah das allerdings vor allem auf ihre Initiative hin. Sie habe „der CDU die Hand für einen gemeinsamen Weg weit ausgestreckt“, betont Anwalt Wieser.
Doch eine Einigung war nicht einmal ansatzweise in Sicht. Daher entschloss sich die große Koalition auf den letzten Metern vor dem Ende der Legislaturperiode, das notwendige Gesetz ohne Kohl-Richters Segen einzubringen. In „repräsentativer Lage“ in Berlin soll ein Helmut-Kohl-Zentrum entstehen, das mit einer ständigen Ausstellung das Leben und Wirken des Pfälzers dokumentiert. Auch Sonderschauen und Veranstaltungen sind angedacht; 2,94 Millionen Euro wurden dafür bereits in den aktuellen Haushalt eingestellt.
Ein Streitpunkt unter mehreren ist der Sitz der „Bundeskanzler-Helmut- Kohl-Stiftung“. Maike Kohl-Richter hätte ihn gern im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim gesehen. In dem Bungalow samt Polizeiwache zum 24-Stunden- Schutz des Kanzlers hatte Kohl mit seiner verstorbenen Frau Hannelore und den beiden Söhnen von 1971 an gelebt.
Später zog Maike Kohl-Richter ein, noch bevor sie Kohl 2008 heiratete. Die frühere Mitarbeiterin des Kanzleramtes versuchte vor zwei Jahren vergeblich, den „Kanzler-Bungalow“ unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Damit wollte sie unter anderem den Abriss des Wachhäuschens verhindern.
Doch dass in Oggersheim beispielsweise der Zehn-Punkte-Plan zur deutschen Einheit abgetippt wurde und Staatsgäste aus aller Welt zu Besuch waren, von Margaret Thatcher über Boris Jelzin bis zu Bill Clinton, war für die Denkmalschützer kein schlagendes Argument.
Die rheinland-pfälzische Generaldirektion Kulturelles Erbe lehnte den Denkmalschutz ab – wegen der „schlichten architektonischen Gestaltung“ der Gebäude. Weil außerdem mehrfach umgebaut worden sei, komme ihnen „kein Denkmalwert gemäß dem Denkmalschutzgesetz Rheinland- Pfalz“ zu. Daraufhin kaufte Kohl-Richter das an ihr Haus angrenzenden Grundstück samt Wache kurzerhand privat. Dass ihr vom Kanzleramt oder der CDU dafür nicht gedankt wurde – idealerweise durch die Einrichtung des geplanten Helmut-Kohl-Zentrums –, schmerzt sie spürbar.
Doch mindestens genauso geht es um die inhaltliche Ausrichtung und den Zeitpunkt, wann die Stiftung ihre Aufarbeitung aufnimmt. So hätte Kohl- Richter gern noch zugewartet in der Hoffnung, dass sich Wahrnehmung und Erinnerung der Parteispendenaffäre mit zeitlichem Abstand verändert. Der Faktor Zeit sei hilfreich, heißt es in dem elfseitigen Dokument. Eine „unbelastete Generation“ tue sich mit dem „notwendigen Abstand“ naturgemäß leichter, die Ereignisse und Rolle der Betroffenen, die zum Teil sogar noch in politischen Ämtern seien, „vorurteilsfrei aufzuarbeiten und einzuordnen“.
Mehrfach beklagt Kohl-Richter in dem von ihr veröffentlichten Dokument, dass die CDU auf die von ihr angebotenen und verlangten „vertrauensbildenden Maßnahmen“ nicht eingegangen sei. Die Partei müsse „am Anfang des gemeinsamen Weges“ erst einmal ihr eigenes Verhältnis zu Helmut Kohl klären und auch intern die Ereignisse „ab Herbst 1999“ einordnen.
Die Schwarze-Kassen-Affäre der CDU begann im November 1999 mit einem Haftbefehl gegen den damaligen Schatzmeister Walther Leisler Kiep wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Kurz danach gestand der damalige Generalsekretär Heiner Geißler ein, dass die CDU in der Ära Kohl „schwarze Konten“ geführt habe. Kohls Witwe stört sich aber daran, dass der Blick auf die Lebensleistung ihres Mannes stets von dieser – wie sie es nennt – „sogenannten Spendenaffäre“ überlagert werde.
Offenkundig hält sie die Kritik an Helmut Kohl für maßlos überzogen und fordert eine „faire, faktenbasierte Einordnung der Ereignisse und der Unverhältnismäßigkeit im Umgang mit ihm und einem ,Fehler‘“. Aus ihrer Sicht geht es nicht um „objektive Aufarbeitung“, sondern „stärker denn je um Gesinnung, Ideologie, Zerstörung und Geschichtsfälschung“. Auch darum habe sie nicht ins Kuratorium der Stiftung eintreten oder dem Vorhaben zustimmen wollen.
Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Denn nach seiner Abwahl als Bundeskanzler hatte Kohl 1998 schätzungsweise 200 Leitz-Ordner mit historisch wertvollen Dokumenten an die CDUnahe Konrad-Adenauer-Stiftung geschickt, sich diese 2010 aber teilweise wieder ausgeliehen für seine Memoiren. Sie wurden nach Oggersheim transferiert. Dort oder zumindest in der Obhut der heutigen Hausbesitzerin befinden sie sich bis heute. Für eine Sichtung dürften sie damit auf Dauer unerreichbar sein. Walter Kohl, Sohn des früheren Kanzlers, kritisiert das in der „Süddeutschen Zeitung“ scharf: „Niemand sollte hier irgendwelche privaten Interessen verfolgen. Alle amtlichen Dokumente gehören in die Stiftung, damit sie dort wissenschaftlich aufgearbeitet werden können.“ In der Union geht derweil die Angst vor einem Flop um. Eine Stiftung ohne diese Akten, so die Befürchtung, wäre eine „inhaltsleere Kiste“.