Beitrag auf nzz.ch Hans-Christian Baumann
In Köln hat das Verfahren um die Millionenklage Helmut Kohls gegen seinen Ghostwriter begonnen. Dieser hatte ohne Erlaubnis Zitate des Altkanzlers in einem Buch publiziert.
Vor dem Landgericht Köln hat am Donnerstag das Schadenersatzverfahren von Helmut Kohl gegen seinen früheren Ghostwriter Heribert Schwan, dessen Co-Autor Tilman Jens und den Heyne-Verlag begonnen. Der deutsche Altkanzler fordert fünf Millionen Euro Schmerzensgeld für die Veröffentlichung von vertraulichen Zitaten in dem Buch «Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle». Der bald 86-jährige frühere Spitzenpolitiker hatte sich erfolglos gegen die Publikation des Werks gewehrt, dieses wurde zu einem Bestseller.
Die Äusserungen, für die Kohl nun Schadenersatz fordert, stammen aus Gesprächen mit Schwan in den Jahren 2000 und 2001. Nach Angaben des Heyne-Verlags, der das Buch veröffentlichte, hatten Kohl und Schwan «Stunden und Tage in Gesprächen verbracht.» Keiner sei dem Altkanzler so nahe gewesen wie Heribert Schwan, hiess es in der Buchankündigung des Verlags. In über hundert Sitzungen hatte Schwan die Grundlage für die umfassenden Memoiren des ehemaligen CDU-Politikers gelegt.
Die ersten drei Bände der Kanzler-Memoiren sind erschienen, bei den Arbeiten zum vierten Band kam es zum Bruch zwischen dem Christlichdemokraten und seinem Ghostwriter. Schwan veröffentlichte daraufhin ohne das Einverständnis Kohls ein Buch mit brisanten Zitaten des früheren Staatsmannes, in denen sich dieser despektierlich über eine Reihe hochrangiger Politiker ausliess, unter anderen auch über die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Im November 2014 errang Kohl zwar einen juristischen Zwischensieg. Ein Gericht befand, Schwan habe rechtswidrig gegen die Vertraulichkeit verstossen und die Mehrheit der Äusserungen Kohls dürften nicht mehr veröffentlicht werden. Das Buch war jedoch bereits im Oktober in den Verkauf gelangt, der Kampf des greisen Altpolitikers gegen die Publikation erreichte enorme Aufmerksamkeit in den Medien.
Laut einem Bericht der Zeitung «Bild» begründet die Anklageschrift die Höhe der Schadenersatzforderung mit der «historischen Dimension» des Falls. Der vorsitzende Richter liess am Donnerstag noch nicht durchblicken, ob das Gericht die geforderte Summe für gerechtfertigt hält. Die Höhe der Forderung ist beispiellos. Die bisher höchste Schmerzgeld-Entschädigung in einem Presseprozess wurde dem ehemaligen Fernsehmoderator Jörg Kachelmann zugesprochen. Das Landgericht Köln verpflichtete den Springer-Verlag vergangenen November zu einer Zahlung von 635 000 Euro an den Schweizer Metereologen für die Berichterstattung der «Bild»-Zeitung über den Vergewaltigungsprozess, in dem Kachelmann freigesprochen worden war. Der Moderator hatte 2,25 Millionen Euro Entschädigung verlangt.