14. Apr 2021

Kohl-Stiftung: Verfallen drei Millionen Euro?

Im Bundeshaushalt 2021 ist für die Finanzierung einer Helmut-Kohl-Stiftung gesorgt. Das  Gesetz zur Errichtung der Stiftung fehlt aber noch. Anfragen der RHEINPFALZ dazu werden abgeblockt. Und ein Pfälzer  Grünen-Politiker hat nun vom Kanzleramt Informationen erhalten, die verwundern.

Beitrag in der Rheinpfalz von Ilja Tüchter

Ein schöner Kranz war das, der da Anfang April vor dem umzäunten Grab Helmut Kohls in Speyer aufgestellt wurde: Die Gerbera strahlten im kräftigen Orange der CDU, daneben steckten im Grün noch lachsfarbene Rosen. Würdig fiel die schwarz-rot-goldene Schärpe, mit der Parteichef Armin Laschet    pünktlich zum Geburtstag des 2017 verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl am 3. April dem Ludwigshafener Amtsvorgänger Respekt und Dankbarkeit zollte.

 Nein, die Christlich-Demokratische Union, deren Chef Kohl 1973 bis 1998 war, hat den Ehrenbürger Europas nicht vergessen. Die Gerbera gilt ja auch als Blume der aufrichtigen Freundschaft. Umso befremdlicher ist, dass es noch immer keine Entscheidung darüber gibt, wie das Grab auf Dauer gestaltet sein soll. Umso befremdlicher  ist ferner, dass die Gründung einer Stiftung  zum Gedenken an Helmut Kohl nicht voranzukommen scheint.

Zumindest ist Genaues nicht zu erfahren. Nur dass es offenbar Gespräche gegeben hat zwischen Kohls Witwe Maike Kohl-Richter und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dass der Gesprächsfaden aber nie so weit gesponnen werden konnte, dass es endlich Einigkeit gäbe. Eine Einigung über ein Gesetz also, mit dem der Bundestag eine Helmut-Kohl-Stiftung errichten könnte. Ist der Faden sogar gerissen? Maike Kohl-Richter hat auf wiederholte Anfragen für diesen Artikel – wie in der Vergangenheit – nicht geantwortet.

Was  ihr gutes Recht ist. Anders gelagert ist  die Sache freilich, wenn auch amtierende CDU-Politiker  nicht   reden möchten. Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Ralph Brinkhaus, soll also – so hat die RHEINPFALZ  erfahren – zuletzt den Kontakt mit Kohl-Richter gesucht haben. Aber Brinkhaus hat bisher zwei schriftliche Anfragen dazu unbeantwortet gelassen. Aus dem Büro des CDU-Abgeordneten Torbjörn Kartes, der Kohls früheren Ludwigshafener Wahlkreis im Bundestag vertritt, heißt es immerhin: der „Verfahrensstand ist  unverändert“. Es liefen weiter Gespräche, die aber „noch nicht zum gewünschten Ergebnis geführt haben“.

Konkrete Details  des Projekts zum Gedenken an den Kanzler der Deutschen Einheit bleiben also  nichtöffentlich. Nach  RHEINPFALZ-Informationen hakt es –  wie seit Jahren – an der Frage, welche Rolle Maike Kohl-Richter in einer Kohl-Stiftung spielen würde. Zwar hat sie in einer der wenigen öffentlichen Äußerungen hierzu einmal gesagt: „Es geht nicht darum, dass ich allein herrsche.“ Aber ein  Veto hätte die Alleinerbin  eben schon gerne. „Ich habe nicht so richtig viel Grund, bestimmten Menschen und bestimmten Institutionen zu vertrauen“, begründete Kohl-Richter 2018 ihre Haltung gegenüber dem Deutschlandfunk. Gemeint waren damit wohl auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere CDU-Persönlichkeiten, die sich 1999/2000 in der CDU-Spendenaffäre aus Sicht der Kohls gegen den Altkanzler stellten. 

Wie dem auch sei – erste Pflöcke zur Errichtung der Kohl-Stiftung sind inzwischen  immerhin eingeschlagen: Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestag hat  am 26. November 2020 entschieden, Geld für eine Kohl-Stiftung in den Bundeshaushalt zu schreiben. Bis zu knapp drei Millionen Euro – offiziell sind es  2.941.000 Euro – soll  das den Steuerzahler kosten.

Kanzleramt: Der Bundestag ist am ZugDie RHEINPFALZ hat hierzu mit dem Südpfälzer Bundestagsabgeordneten Tobias Lindner von den Grünen gesprochen. Das  Mitglied des Haushaltsausschusses hat im Februar das Bundeskanzleramt über den Fortgang des Stiftungsgründung um Auskunft gebeten.

Hintergrund: Im Bundeskanzleramt arbeitet auch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters, deren Haus für die Rechtsaufsicht von Bundesstiftungen, zum Beispiel auch der Willy-Brandt-Stiftung, zuständig ist. Es liegt also nahe, dass in Helmut Kohls Fall  das Haus Grütters handelnde Partei wäre.

Das Kanzleramt antwortet aber Lindner am 12. März so, als sei es eigentlich gar nicht involviert. „Die gesetzgeberische Initiative“ zur Errichtung  gehe   „wie bei den vergleichbaren Stiftungen (...) aus der Mitte des Deutschen Bundestages aus“. Weiter heißt es: „Es handelt sich also nicht um eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung im Sinne des Art. 76 Abs. 1 Fall 1 GG. Insofern hat die Bundesregierung auch keinen Zeitplan für die Gründung der Stiftung aufgestellt.“

Lindner dazu: „Es verwundert schon, dass das Kanzleramt angeblich in Unkenntnis ist, wie das weitere Vorgehen aussehen soll.“ Der Grüne Haushaltspolitiker gibt zu bedenken:

„Das in den Haushalt eingestellte Geld für die Gründung einer Stiftung steht nur 2021 zur Verfügung. Wird 2021 keine Stiftung gegründet, verfällt das Geld.“

Dass das Kanzleramt sehr wohl zuständig ist, ergibt sich schon  aus dem Umstand, dass die 2.941.000 Euro nicht irgendwo, sondern im Einzelplan 04 stehen, also dem Teil des Bundesetats, der für „Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt“ vorgesehen ist. Dennoch unterstreicht das Kanzleramt, es sei erstmal nicht weiter zuständig, auch nicht in der Frage, wo eine künftige Kohl-Stiftung anzusiedeln wäre und welche Rolle die Witwe Maike Kohl-Richter spielen würde: Es entscheide „im Zuge seiner gesetzgeberischen Initiative“ der Deutsche Bundestag. 

Die RHEINPFALZ hat an Kohl-Richter unter anderem auch die Frage gestellt, ob das Grundstück neben dem Kanzlerbungalow in der Marbacher Straße in Ludwigshafen-Oggersheim eine Rolle bei der Planung einer Gedenkstätte spielt. Aber hierzu gibt es wie zu allen anderen Anfragen eben nur Schweigen. Im Deutschlandfunk hatte sie 2018 durchblicken lassen, dass sie schon daran gedacht habe, auch Blicke ins private Leben der Kohls zu ermöglichen: „Man muss natürlich den Helmut Kohl auch  anfassbar machen. Man muss den Leuten auch eine Möglichkeit geben, wie man so schön sagt, mal ins Schlafzimmer zu gucken.“ Das gehöre ja dazu in einer Stiftung oder, wie die Amerikaner sagen, in einer Library, ergänzte Kohl-Richter.

 Kohl-Gedenkstätte

in Ludwigshafen?Im Falle der US-Präsidenten sind es in der Regel private Geldgeber, die dann solche Gedenkstätten finanzieren. In Deutschland hat es das zumindest so noch nicht gegeben. Es wäre auch zu hinterfragen. Grünen-Politiker Lindner: „Eine Helmut-Kohl-Stiftung des Bundes macht auf jeden Fall Sinn. Helmut Kohl war nun einmal 16 Jahre Bundeskanzler und das in einer ganz wesentlichen Phase der Geschichte der Bundesrepublik.“

Lindner, der zufällig 1982, also im selben Jahr geboren wurde, in dem Kohl Kanzler wurde, betont weiter: „Es liegt im öffentlichen Interesse, dass eine Stiftung das Erbe Kohls wissenschaftlich und umfassend aufarbeitet. Und dass nicht nur das Bild gezeichnet wird, das seine Witwe Dr. Maike Kohl-Richter gerne hätte.“

Dass das Bundeskanzleramt zu Kohl-Richter engen Kontakt hält ist nicht nur naheliegend, sondern  gut belegt. So berichtete im Juni 2020 der Berliner „Tagesspiegel“, wie ein Beamter im Kanzleramt  mit Blick auf eine RHEINPFALZ-Anfrage zu der früheren Polizeiwache am Kohl-Bungalow an Kohl-Richter schrieb: „Vielen Dank für Ihre Anmerkungen, die ich voll übernehme.“ Per E-Mail mit Logo des Kanzleramts und Hoheitszeichen des Bundes ging damals die Stellungnahme  an die RHEINPFALZ.

Die Frage der Polizeiwache taucht auch in Tobias Lindners Anfrage ans Kanzleramt auf. Die Frage: Hat das Bundeskanzleramt Frau Dr. Kohl-Richter dabei unterstützt, das Grundstück neben ihrem Bungalow in der Marbacher Straße in Ludwigshafen zu sichern, welches einst für den polizeilichen Schutz der Familie Kohl genutzt wurde? Wenn ja, wie? Die Antwort: „Nein, eine derartige Unterstützung hat es nicht gegeben.“