16. Feb 2018

Kohl-Witwe und Ghostwriter Schwan liefern sich böses Wortgefecht im Gerichtssaal

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Helmut Kohls Witwe will vor Gericht erreichen, dass sie eine Millionen-Entschädigung von Heribert Schwan, dem Ghostwriter ihres Mann, erhält. Während des Prozesses gab es bittere Anfeindungen. 

Ganz in Schwarz steht die Witwe des Altkanzlers Helmut Kohl im Gerichtssaal. Während die Fotografen ihre Bilder machen, schaut Maike Kohl-Richter starr geradeaus. Ganz hinten in der letzten Reihe - so weit von ihr entfernt wie möglich - sitzt währenddessen Kohls ehemaliger Ghostwriter Heribert Schwan. „Die hasst mich“, sagt er leise. Er sie auch? „Ich hasse sie überhaupt nicht. Ein armes Seelchen.“

“Er wollte mich lieben und nicht den Schwan“

Im Gerichtssaal kommt es später sogar zum direkten Wortgefecht zwischen Maike Kohl-Richter und Heribert Schwan. "Helmut Kohl wollte mich lieben und nicht den Schwan", stellte die Witwe klar. Schwan entgegnete von seinem Platz ganz hinten im Saal: "Ich bin ja auch ein Mann - er war ja nicht schwul." Später soll Schwan laut focus.de gesagt haben, Kohl sei wegen seiner Krankheit während der letzten Jahre seines Lebens nicht mehr „Herr seiner Entscheidungen“ gewesen. Daraufhin habe Kohl-Richter erbost entgegnet: "Ach, das wissen Sie, ja? Das wissen Sie?"

Doch zu Beginn eine Frage kommt erstmal eine Frage der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Köln, Margarete Reske, an Schwan: „Wollen Sie sich nicht einen Stuhl nehmen und sich nach vorn setzen?“ Schwan antwortet: „Kann ich nicht hier hinten sitzen bleiben, um den Überblick zu behalten?“ Kann er. So ist sichergestellt, dass Kohl-Richter und er sich während der Verhandlung nicht in die Augen sehen müssen.

Kohls Witwe will eine Million Euro - doch die Chancen stehen schlecht

Richterin Reske sitzt hinter einem Berg von Akten. Das Verfahren läuft schon Jahre. Es geht um das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“, geschrieben von Schwan. Er hat dafür Tonbänder ausgewertet, auf denen er Gespräche mit Kohl für dessen Memoiren aufgenommen hat. Das „Vermächtnis“-Buch war mit Kohl allerdings nicht abgesprochen. Der Altkanzler verklagte ihn dafür und bekam eine Million Euro Entschädigung zugesprochen. Es war sein letzter Triumph - zwei Monate später war er tot. Seine Witwe will, dass das Geld nun an sie ausgezahlt wird.

Die Chancen dafür stehen aber schlecht. Richterin Reske weist auf Urteile des Bundesgerichtshofs hin: Demnach ist ein Entschädigungsanspruch nicht vererbbar. Schließlich gehe es darum, dem Geschädigten Genugtuung zu verschaffen, und das sei nur möglich, solange er noch lebe.

„Helmut Kohl war kein Wirtschaftsunternehmen“

Kohl-Richters Anwälte betrachten den „Kanzler der Einheit“ jedoch nicht als gewöhnlichen Sterblichen, sondern als „absolute Person der Zeitgeschichte von herausragender Bedeutung“. Deshalb gälten für ihn andere Maßstäbe. Doch Reske muss sie enttäuschen. Direkt an Kohl-Richter gewandt, sagt sie: „Das sehen wir so nicht unbedingt.“ Es gebe kein Sonderrecht für historische Persönlichkeiten.

Maike Kohl-Richter presst die Hände gegeneinander, hin und wieder ruft sie halblaut dazwischen: „Falsch!“ Schließlich ergreift sie das Wort - obwohl sie ihrem Anwalt versprochen hat, sich zurückzuhalten, wie sie sagt. „Helmut Kohl war kein Wirtschaftsunternehmen, Helmut Kohl war ein Mensch“, erklärt sie mit bebender Stimme. Das „Gift von Herrn Schwan“ beschädige sein Bild in der Geschichte. „Es geht hier um ein Lebenswerk, es geht um das, was die Menschen von Helmut Kohl in Erinnerung haben.“

“Er wollte mich lieben und nicht den Schwan“

Im Gerichtssaal kam es sogar zum direkten Wortgefecht zwischen Maike Kohl-Richter und Heribert Schwan. "Helmut Kohl wollte mich lieben und nicht den Schwan", wollte die Witew klarstellen. Schwan entgegnete von seinem Platz ganz hinten im Saal: "Ich bin ja auch ein Mann - er war ja nicht schwul." Später soll Schwan laut focus.de gesagt haben, Kohl sei wegen seiner Krankheit während der letzten Jahre seines Lebens nicht mehr „Herr seiner Entscheidungen“ gewesen. Daraufhin habe Kohl-Richter erbost entgegnet: "Ach, das wissen Sie, ja? Das wissen Sie?"

Schwan sagt: Kohl habe ihn unter Tränen um etwas gebeten

Reske regt eine außergerichtliche Einigung an: Der Verlag soll etwas zahlen und das Buch für immer einstampfen. Dafür soll Kohl-Richter einen Schlussstrich ziehen und eine Kopie der Gespräche mit Schwan dem Bundesarchiv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich machen. „Das wäre unsere Idee.“

Heribert Schwan lächelt, als er den Gerichtssaal verlässt. „Heute hat die Kammer ganz klar gesagt, dass die Chancen auf Kohle ganz gering sind. Und das freut mich sehr.“ Er denkt zurück an sein letztes Treffen mit Kohl. Fast zehn Jahre ist das jetzt her. Damals habe der greise Mann „unter Tränen gebeten, dass Maike Kohl-Richter und ich uns vertragen sollten und, wenn er gestorben ist, dass wir am Grab uns verstehen.“ Er sei zu einem Vergleich mit Kohl-Richter bereit. „Ich bin 73 Jahre - soll ich mich mit ihr ewig anlegen über die Deutungshoheit der deutschen Geschichte?“

Doch Kohl-Richters Anwalt Thomas Hermes räumt dem Vorstoß nur geringe Chancen ein. Sie selbst schüttelt nur den Kopf, als sie beim Verlassen des Saals nach einem Kommentar gefragt wird. Sie zieht sich ihren Mantel über - schwarz auch dieser - und entschwindet in den Gängen des Gerichtsgebäudes. Verkündung der Entscheidung ist am 29. Mai.

dpa