Beitrag auf sueddeutsche.de von Hans Leyendecker
Oberlandesgericht Köln: Die Witwe kann eine Entschädigung, die der verstorbene Altkanzler erstritt, wohl nicht erben.
Seit Jahren haben Kölner Gerichte in Sachen Helmut Kohl gegen die Journalisten Heribert Schwan, Tilman Jens sowie die Verlagsgruppe Random House verhandelt. Es ging um Unterlassungsansprüche, Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und um diverse Unterlassungsansprüche. Im Mittelpunkt steht das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" von Schwan und Jens. Dagegen hatte Helmut Kohl mit allem, was er am Ende noch an Kraft hatte, geklagt. Die beiden Autoren hatten sich darin der Tonbänder bedient, die Schwan aufnahm, als er noch der Ghostwriter für Kohls Memoiren war. Sie zitierten den früheren Bundeskanzler darin mit etlichen Kraftausdrücken über andere Politiker; Worten, die in den Memoiren keineswegs vorkamen.
Am Donnerstag wurde vor dem Kölner Oberlandesgericht (OLG) wieder mal in dieser Angelegenheit verhandelt. Aber diesmal war es nicht die juristische "Sache" Helmut Kohl, sondern die "Sache Maike Kohl-Richter gegen Journalisten und Verlag", die verhandelt wurde. Im Auftrag des früheren Bundeskanzlers führt seine Witwe als Erbin seinen Rechtsstreit fort. Mit allem, was sie hat.
Die 53-Jährige war zu der Verhandlung vor dem OLG selbst erschienen. Das Landgericht Köln hatte im Frühjahr 2017 ihrem damals noch lebenden Mann im Streit mit den Journalisten und dem Verlag wegen eines "besonders schweren" Eingriffs in sein Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung von einer Million Euro zugesprochen. Zwei Monate danach starb Kohl.
Das Urteil war aber noch nicht rechtskräftig, und beide Seiten gingen in die Berufung: Die Witwe verlangt die fünf Millionen Euro Schmerzensgeld, die ihr Mann ursprünglich gefordert hatte. Journalisten und Verlag hingegen setzen darauf, dass die Klage schon grundsätzlich keine Chance habe, weil Kohl, der ursprüngliche Kläger, ja mittlerweile gestorben ist. Damit sei auch der Anspruch auf Entschädigung erloschen.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sind in der Tat solche Geldentschädigungsansprüche grundsätzlich nicht vererblich, wenn - wie im Fall Kohl - kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Die Fälle, mit denen sich der BGH beschäftigt hat, sind unterschiedlich, aber es lässt sich eine Linie erkennen: Da Geldentschädigungen Wunden heilen sollen, kann es diese Heilung nach dem Tod eines Geschädigten nicht mehr geben. Nach dem Tod kann man der betroffenen Persönlichkeit nichts Gutes mehr tun.
Und so oder zumindest so ähnlich sieht es wohl auch die Kölner Vorsitzende Richterin Margarete Reske, die sich mit der Materie intensiv beschäftigt hat. Das OLG, erklärte sie am Donnerstag, habe die Frage zwar noch nicht endgültig entschieden, neige aber der Meinung zu, dass der Entschädigungsanspruch nicht vererbbar sei. Sie appellierte an beide Parteien, sich außergerichtlich zu einigen, in einem Vergleich. Sie schlug vor, Kohl-Richter solle auf alle weiteren Klagen verzichten, wenn sich Verlag und Autoren im Gegenzug dazu bereit erklärten, das Buch nicht noch einmal zu veröffentlichen. Außerdem solle eine Kopie von Schwans Tonbandaufnahmen dem Bundesarchiv in Koblenz oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich gemacht werden. Der Anwalt von Kohl-Richter, Thomas Hermes, sagte, zunächst müsse seine Mandantin die Kopien erhalten. Sie könne sich dann verpflichten, eine davon an eine "Helmut-Kohl-Stiftung" zu übergeben.
Das wird alles nicht einfach werden. Das Grundmuster im politischen Leben des Helmut Kohl war oft ein "Wir" gegen "Die". So sieht es wohl auch seine Frau, die sein Lebenswerk gegen Gegner, Feinde, Verleumder, Verräter verteidigen will. Neulich hat sie im Gespräch mit dem Stern gesagt, es gehe bei dem Rechtsstreit in Köln "um nichts weniger als die eigenen Lebenserinnerungen meines Mannes und darum, was von dem Staatsmann Helmut Kohl in Erinnerung bleibt. Dafür kämpfe ich, und das ist allen Kampfes wert". Sie fügte hinzu, zäh zu sein. "Und ich habe meinem Mann zu Lebzeiten ein Versprechen gegeben. Das werde ich einlösen."
In dem 121-seitigen Schriftsatz ihres Anwalts Hermes steht, bei alledem gehe es auch um die "Unsterblichkeit" Kohls als "absolute Person der Zeitgeschichte", und darum, dass ihm stets daran gelegen war, seine Sicht "auf die Dinge für die Ewigkeit festzuhalten". Er müsse vor "Geschichtsklitterung und Geschichtsfälschung" bewahrt werden.