Beitrag auf rundschau-online.de von Bernhard Krebs
Köln - Lange Zeit folgt Maike Kohl-Richter mit versteinerter Miene den Ausführungen des Gerichts. Die Kohl-Witwe, ganz in Schwarz gekleidet, macht sich fleißig und konzentriert Notizen. Beim Schreiben mit dem silbernen Kugelschreiber wippt ihr Kopf im Takt des Aufs und Ab ihrer Handschrift. Doch dann, ganz plötzlich, blickt sie auf und schnalzt mit der Zunge, als die Gegenseite ihr vorwirft, auf einem "ganz persönlichen Rachefeldzug zu sein". Das weist Kohl-Richter wenig später zurück. "Helmut Kohl war ein Mensch. Hier geht es um ein Menschenleben."
Persönlich hat Maike Kohl-Richter am Donnerstag das seit Jahren laufende Klageverfahren ihres verstorbenen Ehemannes übernommen und war vor dem Oberlandesgericht (OLG) erschienen. Doch die Vorsitzende Margarete Reske hatte schlechte Nachrichten für die Witwe des Altkanzlers. Der 15. Zivilsenat am OLG machte ihr nur wenig Hoffnungen auf die Million Euro, die das Landgericht Köln ihrem Mann zwei Monate vor seinem Tod zugesprochen hatte.
Es war die höchste Entschädigungssumme in der deutschen Rechtsgeschichte. Doch das Gericht machte in seiner rechtlichen Einschätzung deutlich, dass es den aus einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts herrührenden Entschädigungsanspruch als eher nicht vererbbar ansehe.
In dem Fall geht es um das Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" vom Journalisten Heribert Schwan. Gemeinsam mit seinem Co-Autor Tilman Jens hatte er in dem Bestseller, der beim Heyne Verlag erschienen ist, den Altkanzler ausgiebig ohne Autorisierung zitiert. Schwan, der Kohls Memoiren schreiben sollte, hatte mit dem CDU-Politiker in dessen Haus in Ludwigshafen-Oggersheim in den Jahren 2001 und 2002 lange Gespräche geführt und diese aufgezeichnet. Später zerstritten sich die beiden Männer, das Memoiren-Projekt blieb unvollendet.
Gegen das Landgerichts-Urteil legten Schwan, Jens sowie der Verlag Berufung ein. Das OLG muss nun entscheiden, ob Kohls Entschädigungsanspruch mit seinem Tod erloschen ist oder eben auf seine Witwe und Erbin übergeht.
Es gehe nicht um ein "Lex Kohl", führt Kohl-Richters Anwalt. Thomas Hermes aus. Doch der Altkanzler sei eine "absolute Person der Zeitgeschichte von herausragender Bedeutung", darum gälten für den "Kanzler der Einheit" andere Maßstäbe. Auch im Interesse der Allgemeinheit müsse er deshalb vor "Geschichtsklitterung und Geschichtsfälschung" bewahrt werden. Kohl-Richter sagt dazu, dass "das Gift des Herrn Schwan" das Bild ihres Gatten in der Geschichte beschädige.
Hermes argumentiert aber auch, wie er es nennt, vom Standpunkt des "gesunden Menschenverstands": "Die Täter würden vom Tod des Opfers profitieren", wenn der Entschädigungsanspruch nicht auf die Erbin Kohl-Richter überginge. Hermes kritisierte in diesem Zusammenhang deutlich frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH), der Entschädigungszahlungen aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen grundsätzlich als nicht vererbbar ansieht. Wenn der BGH seine Auffassung nicht ändere, dann würden er und Kohl-Richter sich auch nicht scheuen, bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Dem vom OLG vorgeschlagenen Vergleich, wonach der Verlag etwas zahlen und das Buch für immer einstampfen und Kohl-Richter dafür einen Schlussstrich ziehen und eine Kopie der Gespräche mit Schwan dem Bundesarchiv oder der Konrad-Adenauer-Stiftung zugänglich machen soll, räumte der Anwalt keine Chancen ein. Schwan hingegen zeigte sich zufrieden. "Das freut mich sehr, dass die Chancen auf eine Geldentschädigung gering sind", sagte er am Rande des Verfahrens. Einem Vergleich zeigte er sich gegenüber aufgeschlossen. Aber dazu wird es nicht kommen, das Gericht entscheidet am 29. Mai.