Werner Filmer / Heribert Schwan
Düsseldorf, Wien, New York 1989
Econ Verlag Juli 1991
Mutter – was wird mit diesem Wort nicht alles verbunden? Nestwärme und schmutzige Wäsche, Existenzgrundlage und Hoffnung, Verwöhnung und Entzug. Vor allem aber Liebe. Mütter geben ihre Kinder an die Welt. Sich selbst nehmen sie zurück, mehr und mehr, bis Kinder ohne Mütter leben können. Mütter gehören zu denen, die nicht einfach weglaufen, sondern den Dreck wegmachen. Und nicht aufgeben. Doppelt und dreifach belastet.
Filmer und Schwan lassen gut ein halbes Hundert Prominente wie beispielhafte Zeitgenossen über ihre ureigene Muttererfahrung zu Wort kommen und schließen sich mit eigenen Berichten an. Es sind sehr persönliche Beschreibungen und gerade darum so packend in ihren Unterschieden und ihrem gemeinsamen Nenner. Dies sind die Mütter, die einen oder gar zwei Weltkriege erleben mußten, Mütter häufig ohne Männer, Mütter auf der Flucht, Mütter in der Not, die es trotzdem geschafft haben, ihren Kindern Geborgenheit zu gegen, die Voraussetzung zum Überleben. So erzählt Walter Jens, wie seine Mutter ihm als kleines Kind zielbewusst beim Inhalieren gegen sein Asthma half, dabei deutsche Grammatik eintrichterte und ihm eingab: “Du bist krank, du hast nur eine Chance, du mußt ein Geistesriese werden”.
Und schon 1933 wußte sie: “Das gibt Krieg.” Knapp zehn Jahre später fiel Simon Wiesentals Mutter dem Sohn ohnmächtig in die Arme – sie hatte fast alles Eßbare für ihn und seine junge Frau aufgespart. Er könnte es nicht verhindern. Sie wurde zum Todeszug abgeholt. Hans-Jürgen Wischnewskis Mutter blieb ehrlich und kritisch, auch als er schon berühmt war. Und Christa Metes beginnt kategorisch: “Meine Mutter war die beste Mutter der Welt…”
Die Bandbreite der Autoren ist groß: Männer und Frauen verschiedenen Alters, Publizisten und Politiker, Musiker und Bischöfe, Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Fernsehen. Was sie uns erzählen, wird niemanden unberührt lassen. Ein deutsches Lesebuch ist entstanden, das direkt zu uns spricht: aus der Erfahrung vieler über das eine Phänomen – die Mutter.