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Er stand ein Berufsleben lang mitten in den heftigsten Debatten des bundesdeutschen Kulturbetriebs, viele hat er selbst angezettelt. Wenn man mit ihm zu tun hatte, war man daher von seiner Freundlichkeit und seiner Sanftmut beinahe überrascht. Der Journalist und Filmemacher Tilman Jens wurde berühmt, als er 1984 in das Haus des verstorbenen Schriftstellers Uwe Johnson einbrach, um die Umstände von dessen Tod zu erkunden – ein Fehler, wie Jens später selbst einräumte. Im Mai 1994 ging es wieder hoch her, als er sich der eigentlich doch unspektakulären Geheimdienstzeit Marcel Reich-Ranickis widmete. Er machte die Demenz seines Vaters Walter Jens öffentlich und schrieb darüber ein bewegendes Sachbuch. Und dann war da noch die Sache mit dem Buch, das er gemeinsam mit Heribert Schwan aus den Tonbändern der Gespräche Schwans mit Helmut Kohl generiert hatte – Debatten, Prozesse, ein riesiger Zirkus. Jens beschäftigte sich in seinem Werk auch mit dem Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule, mit der Stasi, Scientology und Stephen Bannon, er ging keinem Ärger aus dem Weg. Dabei lag er nicht immer richtig, aber wer tut das schon? Jens war ein fleißiger, dabei brillanter Aufklärer, der vor Streit nicht zurückschreckte, die Republik wurde durch ihn wacher und klüger. Tilman Jens starb am 29. Juli.