Beitrag auf zdf.de von Christoph Schneider
Um die Gespräche von Altkanzler Kohl und seinem Ghostwriter wird gestritten. Seine Witwe will wissen, ob Schwan noch Kopien besitzt. Der BGH geht in die nächste Runde.
Es gehe ihr ums Vermächtnis und das Geschichtsbild ihres 2017 verstorbenen Mannes, das des Altkanzlers Helmut Kohl - das hat Maike Kohl-Richter im Vorfeld ihrer vielen Prozesse immer wieder gesagt. Und: Es gehe gar um dessen "Unsterblichkeit" als historische Person.
Der BGH hat die erwartete Entscheidung heute Vormittag überraschend verschoben. Grund ist, dass der zuständige III. Zivilsenat unter Berücksichtigung der eingereichten Schriftsätze festgestellt hat, "dass die Sache nicht geeignet ist, ohne ein vorheriges Rechtsgespräch entschieden zu werden. Der Senat hat deshalb den neuen Verhandlungstermin anberaumt und zu dessen Vorbereitung den Parteien einen Hinweis zur Fassung der Klageanträge und zu den in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen gegeben."
Heißt konkret: Es wird in der Sache einen neuen Termin geben – und eine mündliche Verhandlung. Am 20. August findet erst eine mündliche Verhandlung statt, und dann wird ein Entscheidungsverkündungstermin benannt.
Im Fokus ihrer Klagen steht Journalist und Buchautor Heribert Schwan. Von 1999 bis 2002 führte er an über 100 Tagen Gespräche mit Altkanzler Helmut Kohl. Kohl sprach dabei sehr ausführlich über sein Leben, insbesondere über die 16 Jahre seiner Kanzlerschaft, über Freunde, Weggefährten, aber auch Kritiker und Neider. Über 600 Stunden redeten die beiden, 200 Original-Tonbänder wurden insgesamt aufgezeichnet. Schwan sollte im Auftrag und im Namen Helmut Kohls dessen mehrbändige Memoiren verfassen. Drei Bände wurden geschrieben.
Doch während der Arbeiten am vierten und abschließenden Band überwarfen sich Schwan und Kohl - es folgte eine regelrechte Prozesslawine. 2013 urteilte das Kölner Landgericht, dass Schwan sämtliche Tonbänder herausgeben müsse, was später auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte.
Dessen ungeachtet aber gaben Heribert Schwan und sein Co-Autor Tilman Jens 2014 das Buch "Die Kohl-Protokolle" heraus. Und auch das sorgte für juristischen Ärger - die Kohl-Zitate im Buch wurden untersagt. Denn: Die Privatsphäre Kohls sei durch den "regelwidrigen Verstoß gegen die Vertraulichkeit" verletzt worden.
Entscheidend: Der private Ghostwriter-Vertrag, der zwischen Kohl und Schwan bestand, habe Schwan zur Vertraulichkeit verpflichtet. Die privaten Klagen, die seitdem angestrengt wurden und über die mehrere Gerichtsinstanzen entscheiden mussten, wurden anfangs von Helmut Kohl selber, später nach seinem Tod von seiner Witwe, Maike Kohl-Richter, vertreten.
Kern dieses aktuellen Rechtsstreits ist die Frage nach Anzahl und Verbleib der Kopien der Tonbänder. Entschieden hatte der BGH ja schon, dass Schwan zur Herausgabe der Originaltonbänder verpflichtet ist - per Zwangsvollstreckung gab Schwan die 200 Bänder an den beauftragten Gerichtsvollzieher im März 2014 heraus, im Oktober 2014 erschien dann das Buch.
Im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung sagte Schwan auch, dass es "jede Menge Kopien" der Tonbänder gebe, die "verstreut in deutschen Landen und auch im Ausland seien". Wie viele es gibt und wo sind sie - das möchte Maike Kohl-Richter aktuell wissen.
Das OLG hat ihr in der Vorinstanz weitgehend Recht gegeben. Schwan müsse ihr sagen, in welchem Umfang er die Originalaufnahmen vervielfältigt habe und wo sie seien. Verjährt seien aber Fragen nach der Art und Weise der Vervielfältigung in schriftlicher Form (Transkription); das hatte das LG in der ersten Instanz noch anders gesehen. Dieser Anspruch sei nämlich spätestens 2010 entstanden und die dreijährige Verjährungsfrist mit der Klageeinreichung 2014 abgelaufen - sie habe also keinen Anspruch mehr.
Auch verjährt ist aus Sicht des OLG die Frage, welche weiteren Unterlagen Schwan aus der Zuarbeit für Kohl im Rahmen der Erstellung der Memoiren in seinem Besitz habe. Denn unterstellt, dass die Zusammenarbeit bis 2009 lief, so das Gericht, wurde dieser Anspruch auf Auskunft hinsichtlich weiterer Unterlagen erstmals 2016 erhoben - zu spät.
Maike Kohl-Richter will weiter volle Auskunftsansprüche, sieht keine Verjährung und Heribert Schwan verlangt die vollständige Klageabweisung, will keine Auskünfte erteilen. Der BGH will das nun in einer mündlichen Verhandlung entscheiden.