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Helmut Kohl plauderte frei von der Leber weg, Autor Heribert Schwan zeichnete alles auf. Viele heikle Zitate landeten daraufhin in einem Buch - der Altkanzler wehrt sich erfolgreich vor Gericht.
Altkanzler Helmut Kohl (CDU) darf im Rechtsstreit um das Buch seines Ex-Biografen Heribert Schwan mit einem weiteren Etappensieg rechnen: In einem Berufungsverfahren um Kohl-Zitate in dem Buch "Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" deutete das Oberlandesgericht (OLG) Köln am Dienstag an, dass es wie zuvor das Kölner Landgericht zugunsten des früheren Kanzlers entscheiden könnte. Mit dem Urteil des OLG-Senats wird am 5. Mai gerechnet.
Das Kölner Landgericht hatte im November die weitere Verbreitung von zahlreichen Zitaten in dem Buch verboten und damit in wesentlichen Teilen einer Klage von Kohl stattgegeben. Auch laut der vorläufigen Bewertung des OLG habe Schwan womöglich eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit verletzt, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Zingsheim in der teilweise emotional geführten mündlichen Verhandlung.
Schwan und sein ebenfalls von Kohl beklagter Mitautor Tilman Jens zitieren in ihrem Buch den Altkanzler mit drastischen Äußerungen über frühere Weggefährten, darunter die von Kohl 1991 in sein Kabinett berufene heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Buch basiert auf Gesprächen zwischen Kohl und Schwan, die der Kölner Autor auf Tonband mitgeschnitten hatte.
Die Herausgabe der Tonbänder hatte Kohl gerichtlich durchgesetzt, in einem weiteren Verfahren besteht der Altkanzler auch auf der Herausgabe der Abschriften, die Schwan von den Bändern gefertigt hatte. Außerdem will Kohl einen Millionenbetrag wegen der Buchveröffentlichung einklagen.
In der gut 90-minütigen Berufungsverhandlung vor dem OLG stritten die Prozessparteien lebhaft über die Frage, ob Schwan den Inhalt der Gespräche verwenden durfte. Umstritten blieb auch die Frage, ob ein Interesse der Öffentlichkeit an den Äußerungen Kohls höher bewertet werden müsse als eine mögliche Pflichtverletzung durch Schwan.
Die von Kohl in erster Instanz erwirkte einstweilige Verfügung richtet sich neben den beiden Autoren auch gegen die Verlagsgruppe Random House, deren Tochter Heyne-Verlag das Buch herausgebracht hatte. "Warum schützen die Gerichte Herrn Kohl so, als wäre er Lieschen Müller?", fragte der Justiziar des Heyne-Verlags, Rainer Dresen, in der mündlichen Verhandlung. Der Hamburger Medienrechtler Roger Mann kritisierte, das Gericht schließe "ohne jede Grundlage" auf das Vorliegen einer nicht schriftlich vereinbarten Verpflichtung der Beklagten zur Geheimhaltung.
Dagegen vertrat der Vorsitzende Richter Zingsheim die Auffassung, bei der Zusammenarbeit zwischen Kohl und Schwan habe den geschlossenen Verträgen zufolge der Altkanzler das "Bestimmungsrecht" besessen, "und Herr Schwan war der Zuarbeiter". "Die Entscheidung, was zu veröffentlichen war, lag bei Herrn Kohl." Eine von Zingsheim vorgeschlagene gütliche Einigung in dem Verfahren lehnte die Kohl-Seite ab. Er sehe keine Kompromissmöglichkeit, sagte Kohls Anwalt Thomas Hermes.
Der Rechtsstreit zwischen Kohl und Schwan beschäftigt die Kölner Gerichte seit Monaten. Es geht um Mitschnitte und Protokolle von insgesamt 630 Stunden Gesprächen, die Schwan in den Jahren 2001 und 2002 mit Kohl in dessen Haus in Oggersheim geführt hatte. Sie hatten Schwan zur Abfassung der bereits früher erschienenen Kohl-Memoiren gedient.