Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle
07. Sep 2022

Details

Heribert Schwan, Tilman Jens

256 Seiten
€ 19,99[D] / €20, 60 [A] / sFr 28,50
ISBN 978-3-453-20077-7
Heyne Verlag
Erscheinungstermin: 8. Oktober 2014

Auch als Hörbuch erhältlich

Gesprochen von: Bodo Primus
Spieldauer: 7 Stunden und 41 Minuten

Hörprobe

Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle

Inhalt

Es geht um nichts weniger als ein historisches Vermächtnis: In 630 Stunden hat Helmut Kohl seine Lebenserinnerungen zu Protokoll gegeben. Sein Gesprächspartner: der Historiker, Journalist und Autor Heribert Schwan, den Helmut Kohl als Ghostwriter seiner Memoiren ausgewählt hatte. Drei Bände der Erinnerungen des Kanzlers sind erschienen, dann endete die Zusammenarbeit jäh. Zuletzt ist auf öffentlicher Bühne ein Kampf um die »Deutungshoheit über ein politisches Leben« (Berliner Zeitung) entbrannt: Wie ist Helmut Kohls Wirken zu verstehen? Was ist wahr, was ist verzerrt am Bild dieses Jahrhundertpolitikers? Durch wen erfahren wir, wie er dachte, taktierte, handelte?

Am besten durch den Altkanzler selbst, ungefiltert, in seinen eigenen Worten – anhand der »Kohl-Protokolle«.

Vorwort

Angetrieben von der zweiten Frau des Kanzlers der Einheit, versuchen Anwälte der Familie Kohl ein Dokument von hoher Brisanz unter Verschluss zu bekommen: die Tonbandaufzeichnungen eines monumentalen biographischen Gesprächs. Mehr als sechshundert Stunden, zusammengerechnet über fünfundzwanzig Tage Helmut Kohl nonstop. Am Ende des unfassbar langen Dialogs steht die Eigenbilanz eines einmaligen Politikerlebens: von den Anfängen in Rheinland-Pfalz über den Triumph der Einheit bis zum bitteren Parteispenden-Ende.

Ausführlicher, meinungsstärker, persönlicher hat sich Kohl niemals über Erfolge und Niederlagen, über Weggefährten, Freunde und Feinde, über seine Familie und die Fundamente seiner Politik geäußert. Zunächst als Arbeitsgrundlage der mehrbändigen Autobiographie gedacht, haben die langen Gespräche bald einen ganz eigenständigen Charakter gewonnen. Nur etwa 10 Prozent der oft sehr direkten Rede finden sich in den veröffentlichten Memoiren wieder, in denen notgedrungen so manches mit staatsmännischem Gestus zu glätten war. In den biographischen Erkundungen aber spricht der sechste Kanzler der Republik frei heraus Klartext. Das Ergebnis ist ein »Who is Who« der Zeitgeschichte, das Politiker wie Strauß oder Schäuble, wie Genscher, Geißler oder Gorbatschow auf ganz neue Weise porträtiert. Und das nicht selten überraschend, mitunter auch bitterböse.

Da werden der eigenen Partei gründlich die Leviten gelesen. Da offenbart sich – für manchen hartnäckigen Kohl-Gegner kaum fassbar – ein sinnenfroher, im Glauben rundum liberaler Katholik, ein gebildeter Mann, der unter dem ewigen Stigma der »Birne« litt wie ein getretener Hund. Da wird der Mauerfall vor fünfundzwanzig Jahren, das Ringen um die deutsche Einheit mit pointierten Worten als ökonomische Zwangsläufigkeit charakterisiert. Karl Marx hätte seine Freude an diesem Mann gehabt.

Doch den ebenso erhellenden wie über weite Strecken unterhaltsamen Protokollen, deren Qualität nicht zuletzt in ihrer direkten Wörtlichkeit liegt, droht Ungemach: Die Kanzlerfamilie lässt nichts unversucht, den bisherigen Hüter des Schatzes zur Herausgabe der Tonbänder zu zwingen, dieses kolossalen Dokuments, das sich kein zweites Mal erstellen lässt, denn Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit, ist ein schwerkranker Mann.

Seine Frau, Maike Kohl-Richter, will sich augenscheinlich die alleinige Deutungshoheit sichern und die Gesprächsprotokolle möglicherweise für Jahrzehnte wegschließen. Diesem Ansinnen gilt es sich zu widersetzen. Auf juristischem, aber eben auch auf publizistischem Wege. Deshalb die hier vorgelegte Dokumentation, die im Teamwork entstanden ist. Wir – Heribert Schwan, der Hüter des Schatzes, der Ghostwriter der Kanzlermemoiren, der Kohl 2001 und 2002 in schier endlosen Sitzungen befragte, und der Journalist und Buchautor Tilman Jens – haben uns noch einmal durch sein monumentales Vermächtnis gekämpft: die Kohl-Protokolle. Schon während unserer langen Zusammenarbeit im WDR haben wir manche gemeinsame Schlacht geschlagen. Und der unterschiedliche Blick auf das Vermächtnis schien uns reizvoll. Der eine hat den Staatsmann, den Menschen Helmut Kohl, wie kein zweiter Journalist aus nächster Nähe erlebt. Der andere schaute von außen auf das Dokument, war fasziniert – und wunderte sich.

Auch wenn wir aus juristischen Gründen, die wir selbstverständlich akzeptieren, fürs Erste aus den Dokumenten nur recht knapp zitieren dürfen,* entsteht doch ein facettenreiches Bild dieser Jahrhundertgestalt der deutschen Politik: Helmut Kohl, ein Staatsmann in erfrischend streitbaren Selbstzeugnissen, Helmut Kohl unplugged!

Heribert Schwan
Tilman Jens
im August 2014