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Helmut Kohl hat vor Gericht einen Sieg gegen seinen ehemaligen Ghostwriter errungen. Heribert Schwan darf umstrittene Zitate des Altkanzlers nicht mehr verbreiten. Doch der Konflikt geht in die nächste Runde.
Köln - Lange hatte der Altkanzler mit seinem Ex-Ghostwriter um 115 umstrittene Zitate gerungen, nun hat Helmut Kohl vor Gericht einen Sieg errungen: Der Heyne-Verlag darf das Buch "Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" nicht mehr ausliefern. Dem Sieg im Rechtsstreit mit Heribert Schwan sollen aber noch weitere Verfahren folgen: Kohls Anwalt Thomas Hermes kündigte Schadensersatzforderungen an.
Das Buch werde die Verfahrensgegner noch "sehr, sehr teuer zu stehen kommen", sagte Hermes. "Heribert Schwan ist ein Verräter", fügte der Anwalt hinzu, "ein Dieb geistigen Eigentums". Schwan habe einen "eklatanten Vertragsverstoß" begangen und KohlsPersönlichkeitsrechte in schwerem Umfang verletzt.Tatsächlich war der Vorsitzende Richter Martin Koepsel zuvor in weiten Teilen der Argumentation des Kohl-Anwalts gefolgt: "Schwan hatte eine dienende Aufgabe", sagte er. Aus den Verträgen mit dem Verlag sei eine Geheimhaltungsabrede zwischen Kohl und Schwan herauszulesen. Schwan sei als Kohls Ghostwriter zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen, die er mit der Veröffentlichung des Buches gebrochen habe.
Sicher ist Kohl sein Triumph vor Gericht jedoch noch nicht: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Verlag hat bereits Berufung beim Oberlandesgericht Köln eingelegt. Zudem müssen nicht alle 200.000 bereits ausgelieferten Exemplare des 256 Seiten dicken Buchs aus dem Verkauf genommen werden: Der Bann über die Zitate gilt erst mit dem Urteilsspruch.
"Wenn weitere Zitate kommen, gibt es weiteren Rechtsstreit"
Schwan hatte 2001 und 2002 Mitschnitte und Protokolle von Gesprächen mit Kohl angefertigt, die zur Verfassung der Memoiren des Altkanzlers dienen sollten. Im März 2009 kündigte Kohl die Zusammenarbeit mit dem Journalisten auf. In dem Buch "Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" wird er mit drastischen Äußerungen über frühere Weggefährten zitiert, darunter Angela Merkel (CDU).
Über die heutige Bundeskanzlerin sagte Kohl demnach: "Frau Merkel konnte ja nicht richtig mit Messer und Gabel essen." Und im Gespräch über den damaligen niedersächsischen CDU-Chef Christian Wulff sagte er: "Das ist ein ganz großer Verräter. Gleichzeitig ist er auch eine Null."Der Streit zwischen Schwan und Kohl um diese Zitate wird auch in einem zweiten Verfahren weiter ausgetragen: Kohl fordert die Herausgabe aller Abschriften und Kopien der Tonbänder mit den Interviews. Die Originale hat der 84-Jährige schon auf dem Gerichtsweg herausgeklagt. Kohls Anwalt kündigte am Donnerstag an: "Und wenn weitere Zitate kommen, dann gibt es weiteren Rechtsstreit."
Einen solchen Konflikt vor Gericht nimmt der Heyne-Verlag offenbar in Kauf: Als E-Book soll bald eine neue Version der Kohl-Protokolle Schwans auf den Markt kommen. Denn durch das Urteil untersagt worden seien nur bestimmte Zitate im Buch, erklärte der Verlag. "Andere Zitate aus den circa 3000 Seiten Tonbandmitschnitten sind also nicht betroffen."
mxw/dpa/AFP