Beitrag im Tagesspiegel
Kohls Witwe klagt erfolgreich gegen dessen Ex-Memoirenschreiber
Berlin - Ein Sieg nach Punkten für Helmut Kohls Witwe Maike Kohl-Richter. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) darf sie vom Journalisten Heribert Schwan Auskunft darüber verlangen, wo Aufzeichnungen aus den Gesprächen ihres verstorbenen Mannes mit Schwan geblieben sind. Einen Anspruch auf weitere Dokumente aus diesen Treffen stehe ihr allerdings nicht zu, dieser sei verjährt (Az.: III ZR 136/18).
Kohl- Richter verfolgt ihr Ziel im Wege einer Stufenklage. Erst will sie wissen, wo die Dokumente sind, dann will sie diese herausverlangen. Ob und wie der Witwe das noch gelingen kann, ist offen. Ende 2014 hatte Schwan in einer Fernsehsendung erklärt, Kopien der Tonbänder angefertigt zu haben, die "in deutschen Landen und auch im Ausland" verstreut seien und an die "man nicht so schnell drankommen" werde.
Den streitenden Parteien geht es ums Prinzip. Im Fall von Kohl-Richter bedeutet dies, das politische Erbe ihres früheren Mannes allein verwalten zu dürfen. Schwan hat aus ihrer Sicht einen Teil davon gestohlen. Zudem handelt es sich um einen Teil, der aus ihrer Sicht besser verborgen geblieben wäre.
Tatsächlich genoss der ehemalige Rundfunkjournalist Schwan das Vertrauen des Altkanzlers und ließ sich von ihm mit der Anfertigung von dessen Memoiren betrauen. 2001 und 2002 kamen die beiden Männer mehr als 100 Mal zum vertraulichen Zwiegespräch zusammen, meist im Keller von Kohls Privathaus im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim. Rund 630 Stunden Tonbandmaterial entstand dabei. Als es zwischen beiden zum Bruch kam - wofür Schwan die Witwe verantwortlich macht - fügte der Journalist das Aufsehenerregendste aus seinem Material zu einem Buchbestseller zusammen. Historisch von eher geringer Relevanz, gaben die Zitate einen Eindruck von der Verbitterung Kohls und seinem Freund- Feind- Schema, das für ihn in der Politik leitend war. Vor allem überzog er von ihm verachtete Weggenossen mit Spott, einschließlich der amtieren Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Schwan ging es bei dem Streit ebenfalls ums Prinzip: Die Pressefreiheit. Auch jetzt vor dem BGH berief er sich darauf, Journalist zu sein, der durch sein Handeln Bedeutendes zutage gefördert hat.
Die Justiz klammerte solche Aspekte allerdings eher aus und erkannte in ihm schlicht einen Auftragnehmer, obwohl es zwischen Kohl und ihm nie einen schriftlichen Vertrag gegeben hat. In der Folge sprach das Landgericht Köln Kohl einen Rekordschadenersatz von einer Million Euro zu; ein Anspruch, der nach Meinung der nächsten Instanz aber mit dem Tod des Politikers erloschen sein soll. Auch dieser Streit liegt noch beim BGH.
Kohl- Richters Ehrgeiz, die Erinnerung an ihren Mann zu prägen, nimmt zuweilen bizarre Züge an. So hatte sie, wie berichtet, versucht, den ehemaligen Kanzlerbungalow, in dem sie selbst seit Jahren wohnt, unter Denkmalschutz stellen zu lassen. Die Behörden fanden das Ansinnen abwegig - der Bau sei zu schlicht. Uneingelöst bleiben zudem bisher Versprechen der Witwe, den politischen Nachlass aus Briefen und Aufzeichnungen in eine Stiftung einzubringen und zugänglich zu machen.
Jost Müller-Neuhof