Beitrag aus DIE RHEINPFALZ von Ilja Tüchter
Der Streit um Zitate Helmut Kohls geht in die nächste Runde: An bis zu vier Tagen will das Oberlandesgericht (OLG) Köln auch die Kohl-Söhne Walter und Peter als Zeugen anhören.
Die Söhne des verstorbenen Bundeskanzlers aus der Pfalz sollen im Herbst darüber aussagen, ob es eine Verschwiegenheitsvereinbarung zwischen dem Journalisten Heribert Schwan und dem Ex-Kanzler gab. Als weitere Zeugen benennt der 15. Zivilsenat Kohls Verleger Hans-Peter Übleis sowie den Hauensteiner Historiker Theo Schwarzmüller.
In dem Prozess geht es darum, ob Schwan Recherchen nutzen durfte, die er während seiner Tätigkeit als Kohls Ghostwriter machte. Schwan schrieb Anfang der Nullerjahre die ersten Bände der Autobiografie des Kanzlers aus Ludwigshafen. Dazu interviewte der frühere WDR-Journalist den Ehrenbürger Europas in dessen Bungalow und nahm die Gespräche auf Band auf. 2008 jedoch kam es zum Bruch zwischen Schwan und Kohl. 2014 veröffentlichte Schwan dann „Vermächtnis, die Kohl-Protokolle“ – ein eigenes Buch, in dem er Kohl-Zitate aus den Interviews verwendete. Dabei äußerte sich der Altkanzler ungefiltert, teils schmähend über politische Weggefährten und Gegner.
Kohls zweite Ehefrau und Alleinerbin Maike Kohl-Richter führt den zu Lebzeiten des Altkanzlers begonnenen Rechtsstreit weiter. Sie geht – wie ihr 2017 verstorbener Mann – davon aus, dass Schwan gegen eine Verschwiegenheitspflicht verstoßen hat. Sie will nach eigener Aussage das „Lebensbild“ ihres Mannes schützen. Sie sieht es durch die Zitate aus den „Kohl-Protokollen“ geschädigt und fordert auch Geld aus Schwans Bucheinnahmen.
Der 15. Zivilsenat des Kölner OLG hat am Donnerstag bekanntgegeben, dass er das Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen 15 U 314/19 in zwei Teile aufspalten will: Am 22. September soll es um die Rechtmäßigkeit konkreter Zitate und deren Veröffentlichung in Medienberichten gehen; Ende Oktober/Anfang November will der Senat die Frage der Verschwiegenheitspflicht neu aufrollen. Die OLG-Richter wollen sich dabei ausdrücklich nicht auf die Beweisaufnahme der Vorinstanz – Aktenzeichen 28 O 11/18 – stützen, sondern selber die Zeugen hören, die schon 2018 am Landgericht in Köln vorgeladen waren. Den Antrag von Klägerin Maike Kohl-Richter, zwei weitere Zeugen zu laden, darunter den früheren Chef des Bundeskanzleramts Friedrich Bohl, lehnte der Senat ab.
Eine Anfrage der RHEINPFALZ an Kohl-Richters Anwalt Stefan Wieser blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Rainer Dresen, der Chefjustiziar der Penguin Random House Verlagsgruppe, die 2014 Schwans Buch „Vermächtnis“ herausgab, wertete die neue Wendung als sehr gute Nachricht für den Beklagten: Der Beschluss, die Beweisaufnahme neu aufzurollen, zeige, dass der Senat bereit sei, die Frage der Verschwiegenheitspflicht anders zu bewerten als die Vorinstanz. Vor allem begrüßte Dresen, dass die OLG-Richter nicht Schwan, sondern Kohl-Richter in der Pflicht sehen, das Vorliegen einer Verschwiegenheitsvereinbarung zu beweisen.