21. Aug. 2020

BGH urteilt Anfang September über Klage gegen Kohls Ghostwriter

Beitrag auf rws.beck.de

Dem Ghost­wri­ter He­ri­bert Schwan öff­ne­te sich Alt­kanz­ler Hel­mut Kohl in lan­gen Ge­sprä­chen – bis es zum Bruch kam. Die Witwe und Al­lein­er­bin Maike Kohl-Rich­ter ver­sucht seit Jah­ren, alles An­ver­trau­te si­cher­zu­stel­len, aber ist das heute noch mög­lich? Diese Frage be­schäf­tigt in­zwi­schen den Bun­des­ge­richts­hof, am 20.08.2020 wurde in Karls­ru­he ver­han­delt. Die Ent­schei­dung soll am 03.09.2020 ver­kün­det wer­den.

Viel Um­strit­te­nes in 630 Stun­den Ge­spräch

Zur Vor­be­rei­tung sei­ner Me­moi­ren hatte sich Kohl 2001 und 2002 an mehr als 100 Tagen in sei­nem Haus in Lud­wigs­ha­fen-Og­gers­heim mit dem Jour­na­lis­ten und His­to­ri­ker Schwan zu­sam­men­ge­setzt. Über sein Leben und vor allem seine Zeit als Kanz­ler sprach Kohl offen und aus­führ­lich. Schwan zeich­ne­te etwa 630 Stun­den Ge­spräch auf. Aber nach drei von vier ge­plan­ten Bän­den kam es zum Bruch. 2014 ver­öf­fent­lich­te Schwan ei­gen­mäch­tig den Best­sel­ler "Ver­mächt­nis: Die Kohl-Pro­to­kol­le". Das Buch sorg­te vor allem des­halb für Auf­se­hen, weil der frü­he­re Kanz­ler und CDU-Chef darin mit et­li­chen ab­wer­ten­den Ur­tei­len über Po­li­ti­ker und ge­sell­schaft­li­che Grö­ßen zi­tiert wurde. Kohl klag­te, zahl­rei­che Pas­sa­gen wur­den ver­bo­ten. Kurz vor sei­nem Tod im Juni 2017 erstritt er 87-jäh­rig die höchs­te Ent­schä­di­gung der deut­schen Rechts­ge­schich­te – eine Mil­li­on Euro. Nach bis­he­ri­gen Ur­tei­len ist der An­spruch aber nicht auf seine Witwe über­trag­bar.

Ins­ge­samt 200 Ton­bän­der mit Ge­sprä­chen

Die ins­ge­samt 200 Ton­bän­der mit den Ge­sprä­chen hatte Schwan mit zu sich nach Hause ge­nom­men. 2012 sagte er dem "Spie­gel", er habe "einen Schatz, der wirk­lich ein­ma­lig ist", er werde ihn "ir­gend­wann heben". Die Her­aus­ga­be der Ori­gi­na­le setz­te Kohl noch zu Leb­zei­ten durch. Aber er hatte sei­nem Ghost­wri­ter auch Zu­gang zu ver­trau­li­chen Pa­pie­ren er­mög­licht, dar­un­ter Ge­heim­do­ku­men­te aus dem Kanz­ler­amt und Kohls Stasi-Akte. Um­fang­rei­che Un­ter­la­gen wur­den ko­piert, et­li­che Akten durf­te Schwan zu Hause durch­ar­bei­ten. Die Ge­sprä­che mit Kohl hatte seine Schwes­ter ab­ge­tippt. Und auch von den Bän­dern gebe es "jede Menge Ko­pi­en", er­klär­te Schwan 2014 in einer Fern­seh­sen­dung.

Streit um Ver­jäh­rung

Um diese Ko­pi­en, Tran­skrip­te und Un­ter­la­gen geht es jetzt. Kohls An­wäl­te hat­ten Schwan mehr­fach ver­geb­lich zur Rück­ga­be auf­ge­for­dert. Aber Klage des­we­gen erhob Kohl erst 2014, 2016 wur­den die For­de­run­gen prä­zi­siert – die Frage ist, ob das zu spät pas­sier­te, die An­sprü­che da­mals also ver­jährt waren. Kohl-Rich­ters An­wäl­te ar­gu­men­tie­ren, der Alt­kanz­ler habe nicht wis­sen kön­nen, was Schwan noch alles in sei­nem Be­sitz habe, die­ser habe dazu fal­sche Aus­künf­te ge­ge­ben. Schwan habe nie die Un­wahr­heit ge­sagt, er habe das Ma­te­ri­al nur nicht her­aus­ge­ben wol­len, sagte da­ge­gen sein An­walt Mar­tin Soppe. Sein Man­dant habe die Ko­pi­en als Jour­na­list an­ge­fer­tigt und wolle sie viel­leicht noch nut­zen. "Es wurde aus­drück­lich keine Ver­trau­lich­keit ver­ein­bart."

OLG hatte An­sprü­che für ver­jährt ge­hal­ten

Vor dem Köl­ner Land­ge­richt hatte sich die Kohl-Seite bei den ko­pier­ten und ver­schrift­lich­ten Ton­bän­dern durch­ge­setzt. Dass Schwan Akten zu­rück­be­hal­ten haben könn­te, habe Kohl aber von An­fang an klar sein müs­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt Köln hatte dann auch die An­sprü­che wegen der ab­ge­tipp­ten Ge­sprä­che für ver­jährt ge­hal­ten. Die BGH-Rich­ter schei­nen nun das Land­ge­richts-Ur­teil wie­der­her­stel­len zu wol­len, wie der Vor­sit­zen­de Rich­ter Ul­rich Herr­mann an­deu­te­te.