11. Dez 2019

Der ewige Altkanzler-Streit

Beitrag auf spiegel.de von Christian Parth

Der jahrelange Rechtsstreit um die "Kohl-Protokolle" ist um eine Episode reicher: Autor Heribert Schwan darf weitere Passagen seines Buchs nicht mehr verbreiten. Zu Ende ist das juristische Ringen damit nicht.

Aus der Sicht der Klägerin ist es ein Teilerfolg, aus Sicht der Beklagten ein weiterer Beleg dafür, dass "nach mehr als fünf Jahren des Prozessierens wenig Substanzielles erreicht" wurde. Am Mittwoch hat das Kölner Landgericht entschieden, dass der Autor Heribert Schwan zahlreiche Textpassagen aus seinem 2014 erschienenen Buch "Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle" nicht mehr verbreiten darf.

Geklagt hatte die Witwe des 2017 verstorbenen Altkanzlers Helmut Kohl, Maike Kohl-Richter. Sie hatte auch Ansprüche gegen den zu Random House gehörenden Buchverlag Heyne geltend gemacht - diese wies das Gericht jedoch zurück (Az.: 28 O 11/18).

Bei den betroffenen Zitaten geht es um Dutzende Seiten des Buchs, genau gezählt wurden sie aufgrund der Fülle nicht. In einem vorangegangenen Verfahren hatte das Gericht bereits 116 Textpassagen beanstandet. Diese darf Schwan seitdem nicht mehr veröffentlichen, der Verlag musste die Stellen schwärzen - was aber wohl nur die E-Book-Version betraf, da die gedruckte Auflage längst vergriffen war. Was das neue Urteil für die weitere Veröffentlichung von Kohl-Zitaten bedeute, könne man erst entscheiden, wenn die Urteilsgründe vorliegen, teilte der Heyne-Verlag in einer ersten Stellungnahme mit.

Schwan muss Einnahmen offenlegen

Die Kölner Richter entschieden auch, dass Schwan die Einnahmen offenlegen muss, die er mit dem Verkauf der Memoiren erzielt hat. Im nächsten Schritt kann Kohl-Richter dann auf Schadensersatz klagen. Über die Höhe der Summe ist bislang nichts bekannt.ANZEIGE

Nach Einschätzung der Richter hat der Biograf gegen seine vertraglichen Verpflichtungen zur Verschwiegenheit verstoßen. Die Beweisaufnahme habe das Gericht zur Überzeugung gebracht, dass Kohl bei den Gesprächen mit Schwan von Vertraulichkeit habe ausgehen müssen.

Seit fünf Jahren schon liefern sich Schwan und die Kohl-Anwälte kompromisslos geführte Kämpfe vor Kölner Gerichten um die Deutungshoheit des politischen Lebens des Altkanzlers. Dabei waren die späteren Kontrahenten früher ein gut funktionierendes Gespann. Kohl engagierte Schwan als Ghostwriter und ließ ihn drei Bände seiner Memoiren verfassen.

Vor der Veröffentlichung des vierten und letzten Bands kam es zum Bruch. Schwan nahm die 200 Tonbänder und schuf 2014 daraus das Werk, das ihm hernach viel Ärger einbringen sollte. Denn Kohl hatte ihm für die Verwendung der Aufzeichnungen offenbar keine ausdrückliche Erlaubnis erteilt.

Warum, das wusste Kohl wohl selbst am besten. Denn die Bänder sind laut Schwan nicht nur eine sachliche Aufarbeitung politischer Errungenschaften Kohls, der Altkanzler ätzte demnach auch gegen zahlreiche Weggefährten, angefangen bei seinem Ziehkind Angela Merkel über Christian Wulff, Richard von Weizsäcker bis hin zu Lady Diana.

Kohl hatte die Echtheit der Zitate nie bestritten. Er pochte aber darauf, dass sie vertraulich gewesen seien. Das hat das Kölner Landgericht nun noch einmal bestätigt. Kohl selbst war für eine juristische Auseinandersetzung zu gebrechlich geworden, aber seine Frau Maike führte den Rechtsstreit fort. Schwan machte nie einen Hehl daraus, dass er für die zweite Ehefrau Kohls nur Verachtung übrig hatte. In seinem Buch schrieb er: "Und nun plötzlich herrschte ein solches Weib über ihn."

Kohl-Richter streitet um Millionenzahlung

Vergangenes Jahr noch war Schwan der Zahlung einer Rekordentschädigung in Höhe von einer Million Euro an die Kohl-Witwe entgangen, die das Landgericht ihm auferlegt hatte. Das Oberlandesgericht kassierte die Entscheidung mit der Begründung, dass eine Entschädigung für die persönliche Genugtuung des Geschädigten gedacht sei und diese sei nur zu Lebzeiten möglich und nicht auf die Witwe vererbbar. Kohl war am 16. Juni 2017 verstorben. Über die Revision hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden.

Maike Kohl-Richter musste auch am Mittwoch mehrere Niederlagen hinnehmen. Ihre Klage gegen den SPIEGEL-Verlag wurde weitestgehend abgewiesen. Die Witwe hat demnach nur bei vier von 132 beanstandeten Zitaten oder Informationen, die der SPIEGEL im Rahmen der Buchveröffentlichung verbreitet hat, Unterlassungsanspruch.

Nach Ansicht der Kammer kann die Kohl-Witwe zudem keine Ansprüche gegen Schwans Co-Autor und den Verlag geltend machen, bei dem die Memoiren erschienen sind. Im Gegensatz zu Schwan hätten beide Beklagten keine "vertragliche Verbindung zum Altkanzler", teilte das Gericht mit. Man nehme dies "mit großer Genugtuung zur Kenntnis", erklärte der Heyne-Verlag am Mittwoch, der Richterspruch sei eine "empfindliche Niederlage" für Kohl-Richter.

Zu Ende ist auch dieser Streit zwischen Schwan und der Kohl-Witwe mit der Entscheidung des Landgerichts nicht. Beide Parteien wollen in die Berufung gehen.

FInd an excllent Research Paper Writing Service at the following website https://theresearchpaper.com