Beitrag auf welt.de von Christoph Driessen
Vor vielen Jahren rief Helmut Kohl einen Ghostwriter zu sich. Heribert Schwan sollte ihm beim Verfassen seiner Memoiren helfen. Dann sollte er wieder verschwinden. Aber er ist immer noch da.
Heribert Schwan (71) ist sich sicher: Im Grunde hat der Helmut Kohl nichts gegen ihn. Zwar hat er ihn gerade auf die Rekordsumme von fünf Millionen Euro Schmerzensgeld verklagt, aber Schwan glaubt dennoch: "Niemals würde der Mann gegen mich klagen!" Nach Überzeugung des Journalisten und Buchautors ist die Klage das Werk von Kohls zweiter Frau Maike Kohl-Richter.
Mehr als 600 Stunden hat Schwan in den Jahren 2001 und 2002 mit Kohl im Keller von dessen Bungalow in Ludwigshafen-Oggersheim verbracht. Der Altkanzler erzählte ihm damals sein ganzes Leben, damit Schwan anschließend seine Memoiren verfassen konnte. Drei dicke Bände sind es geworden – Schwans Name taucht darin nicht auf, nicht mal im Kleingedruckten. Dennoch war er es, der alles formuliert hat – wie das ein Ghostwriter eben so macht. Er schreibt, aber dabei bleibt er unsichtbar wie ein Geist.
Der vierte Band der Lebenserinnerungen mit Kohls Sockelsturz durch die CDU-Spendenaffäre ist bis heute nicht erschienen. Denn irgendwann war der hilfreiche Geist in Oggersheim nicht mehr erwünscht. Dahinter vermutet Schwan "diese Frau". Maike Kohl-Richter wolle die Deutungshoheit über ihren Mann, davon ist er überzeugt. Dabei war sie doch erst 18, als Kohl 1982 Kanzler wurde.
Immer wenn man mit Schwan spricht, spürt man, wie sehr ihn das Zerwürfnis getroffen hat. Man spürt die Verbitterung. 2014 veröffentlichte er doch noch ein Kohl-Buch, aber diesmal ohne Absprache. Es hieß"Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle" und enthielt viele deftige Zitate – schließlich konnte Schwan aus dem Vollen schöpfen: Er hatte ja noch die ganzen alten Kassetten mit den Mitschnitten aus Oggersheim. Das Buch wurde ein Bestseller.
Der Altkanzler hat die Sache aber nicht auf sich beruhen lassen. Er klagte. Und bekam recht – gleich in mehreren Instanzen. Die Gerichte vertraten die Meinung: Er allein hat das Recht zu entscheiden, was von seinen Aussagen veröffentlicht wird.
Nun will der 85 Jahre alte Kohl Geld sehen – und zwar gleich fünf Millionen. Das wäre eine Rekordsumme für die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts. Aber schließlich – so argumentieren die Anwälte – ist Kohl ja auch nicht irgendwer. Die Kollegen, über die er da hergezogen hat, waren eben zufällig alle Minister, Bundespräsident oder in einem Fall Bundeskanzlerin in spe. Am 2. Juni will das Landgericht Köln über die Forderung entscheiden.
Schwan hat kein Verständnis für die Klage. Das seien doch gar keine pikanten Enthüllungen gewesen, sagt er. Dass Kohl seine Parteifreunde Richard von Weizsäcker und Kurt Biedenkopf nicht habe ausstehen können, das sei doch zum Beispiel seit Langem bekannt. "Helmut Kohl hat einen Schwarz-Weiß-Blick", sagt Schwan. "Er ist in seinen Meinungen unerschütterlich."
Im Übrigen sei es bei ihren Gesprächen immer wieder vorgekommen, dass Kohl gesagt habe: "Mach' jetzt mal das Band aus!" Bestimmte Dinge habe er wirklich nicht veröffentlicht sehen wollen – aber die habe er ihm dann auch nicht auf Tonband gesprochen.
Das Dumme ist nur, dass die Gerichte das bisher durch die Bank anders gesehen haben. Doch ganz gleich, wie es ausgeht: "Ich werde es nicht dabei belassen", sagt Schwan. Er will noch ein neues Buch schreiben, diesmal ohne wörtliche Zitate. Es sieht ganz danach aus, dass Kohl den Geist, den er da einst zu sich rief, nicht mehr los wird.