Beitrag auf wz.de von Peter Kurz
Maßlos – anders lässt sie sich kaum bezeichnen, die Forderung von Altkanzler Helmut Kohl, die er gegen die Autoren und den Verlag des Buches „Die Kohl-Protokolle“ einklagt. Fünf Millionen Euro – dagegen nimmt sich die von dem Wettermoderator Jörg Kachelmann erstrittene bisherige Rekordsumme von 635 000 Euro Schmerzensgeld geradezu bescheiden aus. Im Fall Kachelmann standen gravierende Verletzungen der Intimsphäre im Raum.
Im Fall Kohl hingegen ging es um (laut gerichtlicher Feststellung) nicht autorisierte Veröffentlichungen seiner Äußerungen. Kommentare des Altkanzlers, die es durchaus in sich hatten. Weil sie tiefen Einblick in die „Wertschätzung“ seines Umfelds gaben, wenn etwa von Angela Merkels Tischsitten oder von Charaktereigenschaften politischer Mitstreiter oder Gegner die Rede war. Eine Veröffentlichung solcher Wertungen war Kohls Ruf abträglich. Aber doch nicht vergleichbar mit der Beschreibung intimster kompromittierender Details wie im Fall Kachelmann.
Oder nehmen wir ein ganz anderes Beispiel, in dem ein Schmerzensgeld zugesprochen wurde: Eine 16-Jährige war vergewaltigt worden und erstritt vor drei Jahren die bis dahin höchste Entschädigung in einem solchen Fall – 100 000 Euro. Weit weniger als der Kachelmann zugesprochene Betrag. Und eine Lächerlichkeit im Vergleich zu der nun von Kohl geltend gemachten Forderung.
Schmerzensgeld hat nach unserer Rechtsordnung zwei Funktionen. Es soll einen Ausgleich für erlittene Schmerzen darstellen. Und es hat eine Genugtuungsfunktion für das Opfer. Kohls Anwälte argumentieren, es gebe keinen vergleichbaren Fall, in dem ein lang gedienter Staatsmann derart öffentlich bloßgestellt und vorgeführt worden sei. Die Höhe der Entschädigung müsse sich an der historischen Dimension des Vorgangs messen. Ja, geht’s nicht eine Nummer kleiner?