Beitrag auf ksta.de von Peter Berger
Köln - Die Summe ist rekordverdächtig. Fünf Millionen Euro Schmerzensgeld wollen die Anwälte des Altkanzlers Helmut Kohl von dessen ehemaligem Ghostwriter Heribert Schwan erstreiten.
Im Mittelpunkt des Prozesses, der am Mittwoch vor dem Kölner Landgericht beginnt, steht das Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“, das Schwan mit seinem Ko-Autor Tilman Jens im Oktober 2014 im Verlag Random House veröffentlicht hat und das mehr als 200 000 Mal verkauft wurde. Jens und der Verlag werden ebenfalls verklagt.
Das Buch, in dem Schwan mit drastischen Kohl-Zitaten über dessen politische Freunde und Weggefährten, unter anderem über Michail Gorbatschow aufwartet, speist sich im wesentlichen aus den Tonband-Protokollen, die Heribert Schwan in den Jahren 2001 und 2002 angefertigt hatte.
Rund 600 Stunden hatte er damals mit Kohl verbracht, um als Ghostwriter dessen Memoiren zu schreiben. Nachdem drei der ursprünglich vier geplanten Bände erschienen waren, hatten sich der Altkanzler und Schwan zerstritten.
Über die Frage, wem die Bänder gehören, hatte es jahrelange juristische Auseinandersetzungen gegeben, die bisher alle von Kohl gewonnen wurden. Zuletzt hatte der Bundesgerichtshof im Juli 2015 in letzter Instanz entschieden, dass das Material Kohls Eigentum ist.
Der BGH hatte in seinem Urteil ein stillschweigendes Auftragsverhältnis zwischen den beiden Kontrahenten angenommen. Kohl sei der Chef in dieser Vertragsbeziehung gewesen. Schwan hat mit Hilfe des Tonband-Materials aber nicht nur die drei Memoirenbände verfasst, sondern auch das „Vermächtnis – Die Kohl Protokolle“.
Vor dem Kölner Landgerichts geht es heute gleich um drei Komplexe, die mit diesem Bestseller zusammenhängen. Zunächst wollen Kohls Anwälte erreichen, dass Schwan nach den Originalen nun auch die Kopien der Tonbänder aushändigt.
Des weiteren streiten die Parteien um 115 Zitate mit brisanten Äußerungen des Altkanzlers. In einem einstweiligen Verfügungsverfahren hatte das Landgericht deren Verwendung für unzulässig erklärt. Jetzt steht das Hauptverfahren an.
Der dickste Brocken steht im dritten Komplex an. Kohls Anwälte begründen die Klage auf fünf Millionen Euro Schmerzensgeld mit der Persönlichkeitsverletzung, die der Altkanzler erlitten habe. Ihr Mandant habe einen hohen Reputationsverlust erlitten, seine historische Rolle sei durch das Buch verzerrt worden.
Auch der Vorwurf der Geschichtsfälschung steht im Raum. „Es ist schon kurios, dass durch die Veröffentlichung unstreitig wahrer Zitate eine Geschichtsfälschung begangen worden sein soll“, sagt Rechtsanwalt Roger Mann, der den Verlag Random House vertritt.
Die Persönlichkeitsverletzung werde, so Mann, dabei allein mit der Veröffentlichung von Kohls Äußerungen über Michail Gorbatschow begründet. „Es gibt ein Bild von Helmut Kohl, das er durch seine offiziellen Memoiren von sich geschaffen hat“, sagt Rechtsanwalt Mann. „Die Kläger glauben nun, dass dieses Bild durch die Aussagen, die Kohl in den Gesprächen mit Herrn Schwan ungeschminkt getätigt hat, beschädigt wird.“
Kohls Beziehungen zu anderen Politikern seien dadurch zerstört worden. „Dem Vernehmen nach sei Gorbatschow sehr verstimmt über die Äußerungen, wie sie in dem Buch veröffentlicht worden sind“, sagt Roger Mann. Die Rechtsanwälte des Alt-Kanzlers wollten sich zur Klage nicht äußern. Autor Schwan sieht ihr gelassen entgegen. „Kohl würde sagen, dass diese Klage pervers ist. Im Buch hat das Gericht 115 Zitate ausgemacht, die nicht wiederholt werden dürfen. Dazu zählen die Stellen über Gorbatschow nicht.“ Über ihn soll Kohl gesagt haben: „Gorbatschow musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war.“