14. Feb 2018

Kohl-Witwe kann das Klagen nicht lassen

Beitrag auf handelsblatt.com von Heike Anger

Maike Kohl-Richter hat einen neuen Rechtsstreit um die Memoiren des Altkanzlers Kohl begonnen. Diesmal geht es um Schadenersatz.

Berlin Vor acht Monaten ist Helmut Kohl gestorben. Doch noch immer beschäftigt der Altkanzler die Gerichte. So hat die Witwe von Kohl, Maike Kohl-Richter, einen neuen Rechtsstreit um die Kohl-Memoiren begonnen. Das bestätigte Medienrechtler Roger Mann, der die Verlagsgruppe Random House vertritt, dem Handelsblatt. „Drei Jahre lang hatten erst Helmut Kohl und dann seine Witwe Zeit, Ansprüche auf Schadenersatz zu stellen“, sagte Mann. „Erst jetzt kommt diese Klage. Das ist schon merkwürdig.“

„Wir machen Anspruch auf materiellen Schadenersatz geltend“, bestätigte auch der Anwalt von Maike Kohl-Richter, Thomas Hermes, dem Handelsblatt. „Mit Jahresbeginn wären die Ansprüche verjährt gewesen. Doch mit Helmut Kohl war bereits das Vorgehen abgesprochen, dass wir diesen Weg gegebenenfalls beschreiten.“

Bislang hatte Kohl noch zu Lebzeiten vom Landgericht Köln eine Geldentschädigung wegen besonders schwerer Verletzung des Persönlichkeitsrechts zugesprochen bekommen – in Rekordhöhe von einer Million Euro. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. An diesem Donnerstag will das Oberlandesgericht (OLG) Köln nun über das Berufungsverfahren entscheiden.

Grund der Auseinandersetzungen ist das Buch „Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“, das die Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens 2014 herausbrachten. Der frühere WDR-Journalist Schwan hatte über 600 Stunden lange Interviews mit Kohl geführt und diese auf Tonband mitgeschnitten. Daraus entstanden drei Bände. Dann kam es zum Bruch zwischen Schwan und dem Altkanzler. Die „Kohl-Protokolle“, die dann ohne dessen Abstimmung erschienen, enthielten streitbare Äußerungen des Altkanzlers über andere bekannte Politiker und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel und die früheren Bundespräsidenten Christian Wulff und Richard von Weizsäcker. Darüber kam es zum Rechtsstreit.

Unabhängig davon strengt Maike Kohl-Richter nun ein neues Verfahren an. Sie reichte Klage gegen Schwan und Jens, sowie gegen die Verlagsgruppe Random House ein, in deren Heyne-Verlag das umstrittene Buch erschien. Auch der Spiegel-Verlag und Spiegel Online gehören zu den Beklagten. Die Klageschrift umfasst knapp 350 Seiten.

Mit ihrer Klage will Kohl-Richter erreichen, dass Verlag und Autoren ihre Einkünfte aus dem Verkauf des Buches offenlegen. „Die Klage zielt darauf ab, dass kein Vorteil bei jenen bleibt, die rechtswidrig von der Veröffentlichung profitiert haben“, erklärte Klägeranwalt Hermes. Zunächst gehe es um die Gewinn-Auskunft, dann werde die Klage auf Gewinnabschöpfung umgestellt. Zudem solle erreicht werden, dass weitere Passagen aus dem Buch verboten werden. Der Spiegel wird demnach auf Unterlassung verklagt: Dort bei Print und Online aufgetauchte Buchtexte sollen gelöscht werden.

Anders als bei der bislang geltend gemachten Geldentschädigung geht es in dem neuen Verfahren nicht darum, ob durch das Buch angeblich seelisches Leid zugefügt wurde. Es geht um die Frage, ob Persönlichkeitsrechte verletzt wurden und damit Gewinn gemacht wurde. Denn Schadenersatzansprüche sind vererbliche Vermögensbestandteile.

In dem bereits laufenden Verfahren, in dem am Donnerstag ein Urteil erwartet wird, liegen die Dinge mit Blick auf eine Vererblichkeit angeblicher Ansprüche Kohls nicht ganz so klar. Das OLG Köln könnte am Donnerstag die Klage der Alleinerbin Maike Kohl-Richter abweisen. Denn nach dem Tode des Altkanzlers geht es zunächst darum, ob der Anspruch überhaupt vererblich ist. So hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe entschieden, dass Ansprüche auf eine Geldentschädigung wegen einer vorgebrachten Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich nicht vererbbar sind. Anderes gelte nur, wenn noch vor dem Tod des Erblassers ein rechtskräftiges Urteil über einen Entschädigungsanspruch gefällt wurde.

Ursprünglich hatte Kohl die beiden Autoren sowie den Heyne-Verlag auf fünf Millionen Euro verklagt. Nach Angaben von Klägeranwalt Hermes, wird Maike Kohl-Richter am Donnerstag in Köln bei der Verhandlung anwesend sein. Es wird erwartet, dass der Fall es bis vor den Bundesgerichtshof schafft.

Für den Autor Schwan dürfte es in erster Linie darum gehen, ob sich das OLG Köln zu der angeblichen Geheimhaltungsvereinbarung äußert, die es laut Kohl und seiner Witwe gegeben haben soll. Das Landgericht Köln hatte geurteilt, dass nur Kohl selbst entscheiden durfte, welche seiner Aussagen veröffentlicht werden sollten und welche nicht. Schwan habe mit dem Buch seine Verschwiegenheitspflicht und seine Pflicht zur Geheimhaltung verletzt. Schwan beteuerte – zuletzt vor vier Wochen in einem Leserbrief an den „Stern“ – eine andere Entstehungsgeschichte der Memoiren: Helmut Kohl habe nie von sich aus daran gedacht, sein Leben auf Tonbändern festzuhalten. „Das war meine Idee, während unserer Gespräche zur Stoffsammlung ein Tonband laufen zu lassen“, betonte Schwan. „Diese Tonbänder hat mir Kohl auch nicht anvertraut, sondern ich habe sie nach der Aufzeichnung mitgenommen und behalten.“

Zuvor hatte Schwan in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angegeben, dass es keinen Vertrag mit Kohl selbst gegeben habe. Im Vertrag mit dem Verlag der Memoiren sei keine Schweigepflicht für ihn vereinbart worden. „Diese ja durchaus erstaunliche Lücke und eklatante Abweichung zu sonstigen Ghostwriter-Verträgen haben wir zum Anlass genommen, um der Öffentlichkeit anschaulich zu machen, wie Kohl wirklich denkt“, sagte Schwan. „Die Intention von Frau Kohl-Richter ist es, den Rechtsstreit im Sinne Helmut Kohls fortzuführen“, sagte Klägeranwalt Hermes. Die Witwe selbst betonte in einem aktuellen Interview mit dem „Stern“, ihre Tage seien bestimmt davon, die Gerichtsprozesse um Kohls Lebenswerk weiterzuführen. Es gehe um nichts weniger als darum, „was von dem Staatsmann Helmut Kohl in Erinnerung bleibt.“

Vielleicht geht es aber mittlerweile auch darum, die Kosten der Verfahren am Ende tragen zu können. Experten taxieren das Prozesskostenrisiko von Maike Kohl-Richter aufgrund der hohen Forderungen auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Es sei darum sehr wahrscheinlich, dass die Kohl-Witwe weiterstreiten werde.