Beitrag auf rheinpfalz.de von Ilja Alexander Tüchter
In dem Rechtsstreit um die Tonbänder mit den Memoiren von Altkanzler Helmut Kohl hat dessen Witwe Maike Kohl-Richter am Donnerstag am Bundesgerichtshof einen wichtigen Teilerfolg errungen: Kohls früherer Ghostwriter, ein Kölner Journalist, muss mitteilen, wo die Kopien der Tonbänder geblieben sind, die er nach eigener Aussage anfertigte. Die Anwälte des Journalisten wollen nicht ausschließen, in dem Fall auch das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof anzurufen.
Maike Kohl-Richter, die den 2017 verstorbenen Altkanzler 2008 heiratete, prozessiert in mehreren Verfahren gegen dessen ehemaligen Ghostwriter Heribert Schwan. Der heute 75-jährige frühere WDR-Fernshjournalist hatte 2014 gemeinsam mit dem kürzlich verstorbenen Autoren Tilman Jens das Buch „Vermächtnis, die Kohl-Protokolle“ veröffentlicht und dabei ohne Kohls Zustimmung auf seine Arbeit an Kohls offizieller Biografie zurückgegriffen: Es wurden Zitate verwendet, die Kohl in mehr als 600 Stunden dauernden Interviews 2001 und 2002 auf Schwans persönliches Tonbandgerät gesprochen hatte.
In dem am Donnerstag vom III. Senat des BGH beendeten Verfahren forderte Kohl-Richter Auskunft darüber, welche Kopien Schwan von den Bändern angefertigt hat und was aus ihnen geworden ist (Aktenzeichen III/ZR 136/18). Der BGH bestätigte Kohl-Richters Anspruch, was die Vervielfältigungen der Tonbänder angeht. Schwan hatte dazu 2014 öffentlich erklärt, er habe Kopien „in alle Welt“ verstreut, damit niemand „so einfach dran kommen kann“. Er beruft sich auf seine Freiheit als Journalist, recherchiertes Material nach eigener Entscheidung zu verwenden. Nicht bestätigt wurde der Anspruch Kohl-Richters auf Information über sonstige Unterlagen. Grund: Verjährung. Dabei geht es unter anderem um Kohls Stasi-Akte.
Damit hat der BGH die Entscheidung der Erstinstanz, des Landgerichts Köln, vom 27. April 2017 wiederhergestellt (14 O 286/14).
Wie Kohl-Richters Anwalt Matthias Siegmann der RHEINPFALZ erklärte, werde nun abgewartet, wie Schwan konkret Auskunft erteilt. Entscheidend aber sei, dass „die Tonbänder dahin zurückkehren, wo sie hingehören: nach Ludwigshafen“. Die bereits zurückgegebenen Originale seien nämlich zu 80 Prozent leer gewesen. Mit der Rückgabe der Kopien erhoffe man sich, alle Inhalte der Gespräche sichern zu können, die Kohl mit Schwan führte.
Schwan zeigte sich gegenüber der RHEINPFALZ enttäuscht von dem BGH-Urteil, das darauf abstellt, dass Schwan wegen seiner früheren Tätigkeit als Kohls Ghostwriter auch nach Ende der Geschäftsbeziehung 2009 zur Verschwiegenheit verpflichtet bleibe.
Schwans Hamburger Anwalt Martin Soppe teilte mit: „Für unseren Mandanten ist nach wie vor nicht verständlich, woraus ein derartiges Rechtsverhältnis herrühren soll, weil es in dieser Hinsicht keinerlei Absprachen mit dem Erblasser gegeben hat.“ Eine Verschwiegenheitsklausel über die Inhalte der Arbeit gibt es in den Verträgen mit Kohl nicht. Dies hatte unter anderem im Mai 2019 Kohls jüngerer Sohn Peter in einer Zeugenaussage vor dem Kölner Landgericht bestätigt. Peter Kohl hatte gleichwohl erklärt, es sei damals allen Beteiligten klar gewesen, dass allein der Altkanzler abschließend entscheiden würde, was veröffentlicht wird und was nicht.
Anwalt Soppe weiter: „Wir werden nach alledem die schriftliche Urteilsbegründung sorgfältig zu analysieren haben, sobald sie uns vorliegt. Aufgrund der Relevanz für die Meinungs- und Pressefreiheit können wir derzeit auch eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts oder des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht ausschließen.“