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Der Sohn des früheren Kanzlers erhebt vor Gericht schwere Vorwürfe gegen Maike Kohl-Richter
Peter Kohl sieht seinem Vater Helmut Kohl nicht nur ähnlich, er spricht auch mit dem gleichen Akzent. Mit goldener Krawatte sitzt er am Mittwoch auf einem der trostlos nüchternen Gänge des Kölner Landgerichts. Er wirkt ziemlich locker, plaudert mit allen, die ihn ansprechen, lässt sich lachend fotografieren. Dabei ist der Grund seines Hierseins eigentlich sehr traurig.
Es geht um das große Zerwürfnis innerhalb seiner Familie. 54 Jahre alt, von Beruf Unternehmer, wohnhaft in der Schweiz. So gibt er seine persönlichen Daten im Zeugenstand an. Das Verfahren, in dem er aussagen soll, hat die Frau angestrengt, mit der er und sein älterer Bruder Walter seit vielen Jahren im Clinch liegen: Maike Kohl-Richter, die Witwe des Altkanzlers. Und damit seine Stiefmutter. Selbst anwesend ist sie nicht – die direkte Begegnung der Kontrahenten bleibt aus.
Es ist ihr Anwalt, der in ihrem Namen einmal mehr gegen den Ghostwriter von Kohls Memoiren vorgehen soll, Heribert Schwan. Der hat 2014 ein Buch rausgebracht, das gespickt ist mit deftigen Aussprüchen Kohls über andere Politgrößen. Für die Veröffentlichung hatte dieser allerdings keine Erlaubnis erteilt. Nun geht es um die Frage: War Schwan zur Vertraulichkeit verpflichtet? Eine entsprechende Vereinbarung habe sein Vater jedenfalls nie unterschrieben, sagt Peter Kohl aus. „Er hat Herrn Dr. Schwan absolut vertraut.“ Die Gespräche im Keller seines Hauses in Ludwigshafen-Oggersheim hätten für ihn den Charakter einer „Therapiesitzung“ gehabt, „wo mein Vater sein Innerstes rausgekehrt hat“. Es war eine Krisenzeit für den Ex-Kanzler, der sich durch die CDU-Schwarzgeldaffäre diskreditiert und kaltgestellt sah und obendrein den Suizid seiner Frau Hannelore verarbeiten musste.
Eine andere Frage, die in dem Rechtsstreit eine Rolle spielt, ist: Was soll jetzt mit den Tonbandmitschnitten der Gespräche von Kohl und Schwan geschehen? Hätte Kohl gewollt, dass sie nach seinem Tod frei genutzt werden können? „Da ist die Antwort Ja und Nein“, sagt Peter Kohl. Einerseits habe sein Vater schon alles freigeben wollen, aber andererseits hätte er eine „pflegliche“ Nutzung erwartet.
Wie aber soll das bitteschön in der Praxis funktionieren? Peter Kohl: „Das ist so wie ein bisschen schwanger.“ Zurzeit schlummern die 200 Kassetten mit 630 Stunden O-Ton Kohl in Oggersheim. Maike Kohl-Richter gehe es darum, „die Deutungshoheit über das politische Erbe von Helmut Kohl zu erlangen und auf Ewigkeiten zu besetzen“, kritisiert Peter Kohl. Dafür sei sie aber nicht qualifiziert. „Sie ist keine Historikerin, sie war 50 Jahre nicht dabei. Sie hat keine Ahnung.“ Seit Jahren überziehe sie ihn mit Anwaltsschreiben, klagt er. „Das ist schon eine Beeinträchtigung der Lebensqualität.“
Sogar die Pflege von Hannelores Grab habe sie ihm untersagen wollen. Bei manchen Briefen, die angeblich noch sein Vater geschrieben habe, bezweifelten er und der Rest der Familie, dass der zuletzt schwer kranke Kohl tatsächlich der Verfasser und Unterzeichner gewesen sei. Zuletzt habe er seinen Vater 2011 gesehen, sechs Jahre vor dessen Tod. Wie muss sich jemand fühlen, dessen Mutter sich das Leben genommen und dessen Vater den Kontakt zu Kindern und Enkeln im Alter abgebrochen hat? Eineinhalb Stunden dauert die Befragung des Zeugen Kohl.
Dann wird er entlassen. „Gute Heimreise!“, wünscht der Vorsitzende Richter. „Danke“, erwidert er, „Wiederschaun!“ Das Letzte sagt er wieder genauso wie sein Vater es früher tat. Christoph Driessen, dpa