Beitrag auf ksta.de von Jan Sternberg
Die Union hat wenigstens Sinn für Geschichte: Ausgerechnet in der Woche, in der die Partei unter Schmerzen einen Kanzlerkandidaten kürte und in eine ungewisse Zukunft blickt, bringt der Bundestag auf Betreiben der CDU/CSU-Fraktion eine „Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung“ auf den Weg. Am Donnerstag steht das Thema auf der Tagesordnung, die Koalitionsmehrheit ist gesichert, drei Millionen Euro sind bereits in den Bundeshaushalt eingestellt.
Streit gab es im Vorfeld dennoch: Nicht über die Errichtung solch einer Gedenkstiftung - auch die sozialdemokratischen Kanzler Willy Brandt (in Berlin und Lübeck) und Helmut Schmidt (in Hamburg) wurden bald nach ihrem Tod mit Stiftungen geehrt. Bei Kohl, der im Juni 2017 starb, dauert es etwas länger.
Grund für die Verzögerung ist der Streit um Kohls Vermächtnis. Seine Witwe Maike Kohl-Richter, mit der der Altkanzler von 2008 bis zu seinem Tod verheiratet war, pochte auf eine herausgehobene Stellung in der Stiftung, dem Vernehmen nach mit Vetorecht. Einen Kuratoriumsplatz auf Lebenszeit soll sie abgelehnt haben. Sie soll in Ludwigshafen-Oggersheim eine Art Wallfahrtsstätte für den Kanzler der Einheit einrichten wollen.
Dort hütet sie einen Schatz: Im Keller des einst von Helmut und Hannelore Kohl gebauten Bungalows sollen unzählige Briefe und Dokumente lagern, die Kohl eigentlich dem Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung vermacht hat. Auch das Bundesarchiv pocht darauf, staatliches Schriftgut aus Kohls Wirken von der Alleinerbin Maike Kohl-Richter zu erhalten. Inwieweit offizielle, parteibezogene und private Dokumente voneinander zu trennen sind, ist allerdings unklar.
Nun ist die Witwe außen vor. Laut Gesetzentwurf soll die Stiftung nach Berlin kommen, ein „Helmut-Kohl-Zentrum“ mit Sitz im Regierungsviertel ist geplant. Kuratorium und Vorstand werden auf Vorschlag des Bundespräsidenten, der Kulturstaatsministerin und der Konrad-Adenauer-Stiftung besetzt. Von Maike Kohl-Richter ist im Gesetzentwurf keine Rede mehr.
Helmut Kohls ältester Sohn Walter begrüßt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass es fast vier Jahre nach Kohls Tod nun zum Stiftungsbeschluss kommt. „Berlin ist der richtige Ort dafür, hier ist das Vermächtnis meines Vaters überall spürbar“, sagt er. Von der Stiftung erhofft er sich „eine faire zeitgeschichtliche Bewertung der Leistungen meines Vaters - untrennbar verbunden mit den Tausenden Stunden, die meine Mutter in diesem Zusammenhang verbracht hat“. Statt Maike Richter-Kohl könnte also die Erinnerung an Kohls erste Frau Hannelore, die 2001 nach langem Leiden starb, in der Stiftung eine Rolle spielen.
Ob Kohls Söhne selbst im Stiftungskuratorium mitwirken wollen, ist unklar. Walter Kohl spricht von „ungelegten Eiern“. Willy Brandts Witwe Brigitte Seebacher und Helmut Schmidts Tochter Susanne Schmidt spielten wichtigen Rollen in den jeweiligen Gedenkstiftungen.